Werke von Ludwig van Beethoven, Pjotr I. Tschaikowsky

Die Weihe des Hauses

Philharmonie Südwestfalen, Ltg. Nabil Shehata

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 5/2024 , Seite 72

Man freut sich immer zu hören, dass die Klassik in der sogenannten Provinz lebendig geblieben ist und zudem gedeiht, gerade in dieser schwierigen Zeit. Regelmäßig liest man von mitreißenden Aufführungen in den Opern- und Konzertszenen kleinerer Städte. Auch für die Philharmonie Südwestfalen, beheimatet in Siegen, trifft das zu. Das Orchester hat zudem im Sommer 2023 zum ersten Mal in seiner Geschichte ein eigenes Probenhaus erhalten: das Haus der Musik. Zudem belegt eine interessant gestaltete Website anhand vieler Konzertvideos ein breit gefächertes Repertoire.
Lebendiges Musizieren auf hohem Niveau bezeugt auch dieser CD-Mitschnitt aus Siegen unter der Leitung des Chefdirigenten Nabil Shehata. Seit 2019 hat der talentierte Musiker diese Position inne. Die Fachpresse attestiert ihm Autorität voller Leichtigkeit, die auch auf dieser Einspielung zu erleben ist. Nabil Shehata begann seine Karriere als Solokontrabassist der Staatskapelle Berlin sowie der Berliner Philharmoniker, bevor er dem Taktstock den Vorzug gab. Shehata hat den Klangkörper aktuell auch in internationale Häuser geführt, was nur zu begrüßen ist.
Beethovens Ouvertüre Die Weihe des Hauses scheint dem Haus der Musik in Siegen gewidmet zu sein. Pointiert und schwungvoll als Auftakt zu hören, majestätisch à la Beethoven dirigiert. Das Orchester präsentiert großen Farbenreichtum sowie Souveränität in der Gestaltung. Komponiert wurde das Werk 1822 zur Eröffnung des Theaters in der Josephstadt und klingt in dieser Einspielung beeindruckend lebendig.
Diese Klangpracht kann man dann auch mit der Sinfonie Nr. 5 von Pjotr I. Tschaikowsky erleben. Es gelingt dem Klangkörper eine spannende Wiedergabe von diesem so vielgespielten Werk zu präsentieren, das vielsichtig psychologisch, teilweise auch resignierend angelegt ist, am Schluss aber eine Befreiung manifestiert. Hier wird stimmungsvoll musiziert, indem man die Nuancen betont, ohne jedoch den inneren roten Faden zu verlieren, dazu kennzeichnet eine dynamisch vorwärtstreibende Kraft das Klangbild, immer auch dem Walzer-Duktus verpflichtet.
Zum Abschluss eine Hommage an die Heimat mit der Südwestfalen-Fanfare von Andres Reukauf, die der Komponist als eine „Beschwingte Fahrradtour“ durch die Landschaft Südwestfalens beschreibt, mit abschließender Blaskapelle sowie effektvollen Akzenten auf eine aufstrebende Industrie- und Wirtschaftsregion. Warum immer die Musik der Wirtschaft unterordnen? Beiden Bereichen des Lebens sollte eine gleichbedeutende Stellung in einer funktionierenden Gesellschaft eingeräumt werden.
Midou Grossmann