Wagner, Richard

Die Walküre

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Mariinsky MAR0527
erschienen in: das Orchester 07-08/2013 , Seite 73

Wenn man sich den Spielplan des Mariinsky-Theaters St. Petersburg ansieht, kann man sich nur verwundert die Augen reiben. Was hier jeden Monat auf die Bühne kommt, ist an Vielfalt kaum zu überbieten. Manchmal sind es bis zu fünfzehn verschiedene Opern im Monat, slawische Raritäten genauso wie das große internationale Repertoire, dazu kommen noch Ballette. Eine solche Vielfalt in einem kurzen Zeitraum gibt es in Deutschland auch bei den großen Häusern wie z.B. in Berlin oder München schon lange nicht mehr. Und dass dieses Repertoiretheater in St. Petersburg auf meist beeindruckend hohem Niveau stattfindet, ist in erster Linie das Verdienst von Valery Gergiev. Der wahrscheinlich umtriebigste Dirigent unserer Zeit hat das Mariinsky-Theater in den beiden vergangenen Jahrzehnten mit konsequenter Arbeit zu einem der international führenden Opernhäuser geformt.
Einen eindrucksvollen Leistungsbeweis erhält man nun mit einer Aufnahme der Walküre auf dem hauseigenen Label. Der Einspielung auf Hyb­rid-SACD liegen mehrere konzertante Aufführungen aus den Jahren 2011 und 2012 zugrunde. Der Klang des sehr präzis spielenden Orchesters ist gar nicht so russisch gefärbt, wie man es von älteren Aufnahmen her kennt. Bei der sängerfreundlichen Abmischung dominieren die Bläser aber allzu sehr; die Violinen sind manchmal nur zu erahnen. Das ist bei Wagner aber oft ein Problem. Gergiev bevorzugt recht getragene Tempi, was ihm die Möglichkeit gibt, an den dramatisch entscheidenden Stellen energisch zuzupacken. Da er es hierbei aber nicht übertreibt, bleibt die Interpretation immer glaubwürdig. Trotzdem kann er in den großen Dialogen des zweiten Akts nur wenig Spannung erzeugen.
Das liegt zum Teil aber auch am Sänger des Wotan, René Pape. Er ist zwar auf dem Höhepunkt seiner stimmlichen Möglichkeiten und steht die Partie bravourös durch. Seiner balsamischen Stimme würde man aber gerade in den Dialogen mehr differenzierte Klangschattierungen wünschen, um seine durch Frickas Drängen bedingte Sinnesänderung glaubhaft zu vermitteln. Imponierend dagegen, dass ihm bei dem extrem langsam genommenen „Muss ich dich meiden“ in „Wotans Abschied“ nicht die Pus-
te ausgeht… Ein in jeder Hinsicht idealer Siegmund ist Jonas Kaufmann. Sein baritonal gefärbter Tenor kommt dieser Partie besonders entgegen, und so muss er sich nicht in bei ihm manchmal zu beobachtende Manierismen „retten“. Anja Kampe ist eine jugendlich-frische Sieglinde mit jubelnden Höhen, Nina Stemme eine überzeugende, sehr präsente Brünnhilde mit gelegentlich etwas ausuferndem Vibrato. Da auch Hunding (Mikhail Petrenko) und Fricka (Ekaterina Gubanova) sehr achtbar besetzt sind, kann diese Einspielung eine gute Alternative zu den zahlreichen vorliegenden Aufnahmen sein. Für die Fans von Jonas Kaufmann ist sie ein „Muss“.
Thomas Lang