Tomenendal, Dominik
Die Wagners
Hüter des Hügels
Das Coverfoto sagt schon alles: Wenn es um “die Wagners” geht, sollte heute jeder an Katharina denken, jene Urenkelin Richard Wagners, die seit 2008 mit ihrer Halbschwester die Bayreuther Festspiele leitet. Nach diesem Strickmuster vermarktet sich die bald 35-Jährige seit Jahren so erfolgreich, dass die Presse reflexartig alles druckt, was mit ihr zu tun hat.
Sicher ist es kein Zufall, dass Dominik Tomenendal, Autor von Die Wagners, zwei Sommer im Festspielpressebüro arbeitete und jetzt für einen Berliner Kommunikationsberater wirkt. Sein Taschenbuch aus der Reihe “Kleine Bayerische Biografien” im Verlag Friedrich Pustet kann man auch direkt im Festspielshop kaufen; es ist dort einer der raren Fremdtitel neben Oswald Georg Bauers Eloge Wolfgang Wagner (siehe die Besprechung in das Orchester 5/12, S. 69).
Zwar macht der 1983 geborene Autor nicht den gleichen Fehler, Kritik komplett auszuklammern, aber ungenügend und überflüssig ist seine 144 Seiten starke Kompilation allemal. Vielleicht schon mangels Erfahrung misslingen ihm die von jedem Biografen zu leistende Einordnung und Gewichtung. Es geht im Schweinsgalopp durchs Leben von Richard und Cosima Wagner, deren Kinder, Kindeskinder und einiger Urenkel und durch die deutsche Geschichte. Dem Wagner der frühen Jahre bis 1848 widmet er etwas mehr als eine Druckseite genauso viel wie zum Info-Thema “Homosexuelle in Deutschland” im Kapitel zu Siegfried Wagner und halb so lang wie der Seitenblick aufs Außenlager Bayreuth des KZ Flossenbürg.
Durch derlei eigenwillige Akzente setzt sich Tomenendal von der gegebenen Literatur ab und durch seine anbiedernd flapsige Sprache. Da gibt es Alt-, Hyper- und Ultra-Wagnerianer, da darf Dirigent Richard Strauss einspringen, weil “seine alten Gegner Cosima und Siegfried ja schon unter der Erde waren”. Die vereinfachende, oft verzerrende und sinnentstellende Sprache verhüllt nur, wie sehr sich der Autor aus anderen Büchern bedient hat. Seine bevorzugten Quellen sind einschlägige Titel von Brigitte Hamann und Oliver Hilmes und weniger die Primärliteratur. Warum schreibt er, Wagner habe “angeblich” kurz vor seinem Tod gesagt, er sei der Welt noch einen Tannhäuser schuldig? Etwa weil bei Hamann steht, dass Cosima über die letzten beiden Tage auffällig unpräzise berichtete? War er zu bequem, das Zitat in den Tagebüchern zu verifizieren?
Das “Hier gilts der Kunst!” von Pogner-Tochter Eva aus dem 2. Akt der Meistersinger stilisiert er einfach zu einem “Wagner-Motto” um. Er weiß eben nicht, dass erst die Nachkommen den Libretto-Text politisch benutzt haben. Zwar übertrifft Tomenendal nicht das fehlerhafteste Wagner-Buch jüngeren Datums, Wagners Welt von Axel Brüggemann. Aber wer Brünnhilde mit einem “n” durchgehen lässt, Cosima als gebürtige Französin ausgibt und Fotos falsch datiert, ist kein seriöser Wagner-Autor. Deshalb wird man ihm auch nicht abnehmen, dass Frauenfeindlichkeit im Spiel sein soll, wenn die Medien die aktuellen Festspielleiterinnen nicht als das empfinden, was der Untertitel suggeriert: Hüter des Hügels.
Monika Beer


