Egner, Eugen (Hg.)
Die Tagebücher des W. A. Mozart
Illustriert von ihm selbst. Herausgegeben mit bisher unveröffentlichtem historischen Bild- und Textmaterial sowie einem Vorwort von Eugen Egner
Die Tarnung ist perfekt. Wer Eugen Egners Die Tagebücher des W.A. Mozart in der Hand hält, die anlässlich des 250. Geburtstags des Komponisten neu aufgelegt wurden, glaubt sich zunächst als Leser eines Bändchens der Insel-Bücherei. Die Aufmachung verheißt gediegene Neuigkeiten aus dem Bereich der Hochkultur, hinter der bildungsbürgerlichen Fassade verbirgt sich aber gänzlich Unerwartetes.
Im Vorwort des hier als Herausgeber fungierenden Eugen Egner lesen wir, dass wir es mit Mozarts Tagebüchern im Originalwortlaut zu tun haben, die Egner beim Aufreißen des Zwischenbodens in einem Pfarrhaus gefunden habe und sie nun mit Illustrationen aus der Feder des Komponisten der Nachwelt präsentiere. Expertisen hat er beigegeben: Haydn, Beethoven und Salieri bekennen allesamt: Alles echt.
Egner, dessen Zeichnungen ab 1978 in der Wuppertaler Stadtillustrierten, später auch u.a. in Titanic, Eulenspiegel und Die Zeit zu sehen waren, räumt gründlich mit den vielfachen Mozart-Apologien aller Zeiten auf und nimmt Mythen und Verklärungen, die Mozart anhaften, gründlich aufs Korn. Der Mozart dieser Tagebücher ist also kein Genie, sondern ein äußerst biestiger, gänzlich uninspirierter Mensch. Er wird vom Vater drangsaliert, was sich so anhört: Der Herr Papa insistieret darauf, das ein musickus so tagbuch nicht führet, gar schief gewickelt sey und ich mich soll täglich befleissigen all mein thaten und erlebnüsse [
] getreülich niederzuschreiben. Ich aber wüst nicht was ich schreiben solle.
Von den Frauen wird er unterdrückt, seine Gattin Constanze lässt sich von Salieri, Haydn und Beethoven schwängern, und wenn Mozart die Ideen zu Kompositionen ausgehen, muss Schwester Nannerl in die Bresche springen: Man verlangt von mir, ich solle 40 Sinfonien schreiben, da wandelt mich die frostigkeit des Todes an. doch das Nannerl schmirt sie mir hin.
In diesem vom 28. Februar 1769 bis zum 4. Dezember 1791, also bis kurz vor seinem Tod, nur lustlos auf väterliche Anweisung hin geführten Tagebuch zeigt sich Mozart als infantiler, kleinkarierter Misanthrop, dem man niemals hätte begegnen wollen und der das stets gegen ihn gerichtete Leben mit Mühe eher schlecht als recht zu bewältigen vermag. Mozart wird hier unsanft und mit schmissiger Feder vom Sockel gestürzt, die Sprache der mozartschen Briefe prägnant karikiert. Das hat etwas Wohltuendes, zumal im Überschwang des Mozart-Jahrs und wenn die Satire so leichtfüßig daherkommt, was meist je besser funktioniert, desto höher die Säule ist, auf der ein Heiliger zu Stehen gekommen ist.
Andererseits: So antibürgerlich wie der getarnte Wolf im Schafspelz daherkommt, ist er letztendlich nicht, denn die mozartsche Kunst genau zu kennen setzt dieses Büchlein voraus und es hat womöglich einen zweifelhaften Aspekt, die Mythen, die dem Komponisten anhaften, gegen ihn selbst gerichtet zu demontieren. Den Mythos Mozart haben andere als der Künstler selbst gesponnen, und gegen deren schwärmerischen Ton der Auslegungen hätte man die Pfeile der Ironie ebenso richten können. Aber das wäre ein anderes Buch geworden
Beate Tröger