Köhler, Stefanie

Die Stimmkugel

Perfekte Artikulation für Sprecher und Sänger. Eine neue, visuelle Methode

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Leipzig 2016
erschienen in: das Orchester 04/2017 , Seite 56

Das vorliegende Buch ist Handwerk zum Mundwerk und ein kompaktes Lehrwerk für Sprecher, Sänger und alle, die sich für Sprachsitz und -gestaltung interessieren. Stefanie Köhler erinnert, frischt auf und entwickelt eine für sie logische und im wahrsten Sinne stimmige Methode zur Entwicklung der Artikulation in Sprache und Gesang.
Bereits im Vorwort „Traumberuf Sprecherziehung“ spürt man die Kompetenz und auch Leidenschaft der Autorin. Viele Beispiele aus Unterricht und Praxis geben dem Buch eine subjektive, jedoch anschauliche Note, und gerade die ganzkörperliche Sichtweise Köhlers gestaltet das Thema rund.
Rund ist auch das Herzstück des Buchs, die Stimmkugel zur Visua­lisierung klanglicher Vokal- und Konsonantenbahnen. Wie kann man sich das vorstellen? Köhler teilt allen geschlossenen Vokalen einen Sitz innerhalb dieser Kugel zu. Die Konsonanten ordnet sie außerhalb rundherum in stimmhaltend oder stimmtragend ein. In dem Idealbild der Stimmkugel finden alle Laute einen Platz, an dem sie unterstützend funktionieren und optimal schwingen. Darüber hinaus fungiert die Stimmkugel auch symbolisch als Mundraum, als Größe der Stimme, zur Visualisierung von Ist- und Sollzustand sowie für Fremdsprachen. Die Idee dahinter ist eine klangliche: stimmlichen Lauten Raum zum Klingen zu geben, und zwar möglichst gleichmäßig und ausfüllend, ohne dabei an Individualität einzubüßen. Wozu das Ganze? Wer sich schon einmal in dem Bereich ausprobiert hat, weiß, wie schwer es mitunter fällt, stimmliche Phänomene zu verbalisieren, zu visualisieren oder gar zu optimieren.
Neben der Stimmkugel erwähnt Köhler dennoch viele wichtige Grundaspekte für Sänger und Sprecher wie beispielsweise Atmung, Haltung, Körpersprache und die Offenheit des Stimmapparats.
In den weiteren Kapiteln des Buchs erarbeitet die Autorin alltägliche Phänomene. „Spezifische Betrachtungen deutscher Phonetik“ wie Anfangs- und Endkonsonanten, sprachliche Ausweichmanöver, den allseits bekannten S-Fehler bis hin zur Thematisierung verschiedener Sprachebenen in „das Maß der Artikulationsschärfe“ liefern Praktisches für die bereits benannte Zielgruppe. Dieses wird in Form von „Artikulation und Textarbeit“ anhand verschiedener Gedichte fassbar und im letzten Abschnitt des Buchs mit verschiedenen Übereihen konkret – wohl der wichtigste Aspekt am ganzen Thema.
Ähnlich der räumlichen Positionierung einer Person als Kommunikationsimpuls, positioniert sich Köhler mit klaren Gedanken, ohne diese als allgemeingültig anzusehen. Lediglich die Übersicht eines phonetischen Alphabets fehlt. Eine Lektüre dieses Buchs ist empfehlenswert, ertappt man sich doch bereits währenddessen immer wieder artikulierend. Raus aus dem alltäg-
lichen Mutterstimmsitz – raus aus der Komfortzone!
Eva-Maria Kösters