Kleinknecht, Friedrich
Die Solocellisten der Musikalischen Akademie
Zum 200-jährigen Bestehen der Musikalischen Akademie
Richtet sich dieses Buch an die musikalische Öffentlichkeit? Nicht, dass Letzterer irgend etwas vorenthalten werden müsste! In mehrerlei Hinsicht jedoch präsentiert sich der vorliegende, im Privatdruck erschienene Band seltsam unfertig, skizzenhaft, allenfalls Kennern der Materie zugänglich. Überdies verstören unzählige Nachlässigkeiten: Es wimmelt vor interpunktorischen Ungenauigkeiten, fehlenden und überzähligen Leerstellen etc., sodass schon der optische Eindruck die Frage aufwirft, ob sich hier vielleicht eine schnell gemachte, für Insider bestimmte Festschrift versehentlich in den Fachhandel verirrt haben könnte.
Was ist die Musikalische Akademie? Ein 1811 gegründetes, selbstverwaltetes Orchester, das sich aus Musikern des Bayerischen Staatsorchesters früher des Münchner Hofopernorchesters zusammensetzt und dessen Ziel es ist, sinfonische Musik in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Von 1847 bis 1945 fanden die Konzerte der Akademie im legendären Odeonssaal statt. Anlässlich ihres 200-jährigen Bestehens 2011 ging aus den Reihen der Akademie das Kammerorchester des Bayerischen Staatsorchesters hervor. Das zumindest sollten Leser des Bändchens wissen. Autor Friedrich Kleinknecht indes setzt nicht nur dies als bekannt voraus. Auch seine Person und ihre Beziehung zum Thema schälen sich erst gegen Ende des Buchs mühsam heraus: Er selbst (Jahrgang 1944) war bis 2008 Cellist im Bayerischen Staatsorchester, ist also mit der Materie, der Geschichte der Akademie und mit allen Absonderlichkeiten des Cellospiels, der Orchestermusik und des Operndienstes bestens vertraut. Welch seltsame Dienstverweigerung liegt indes darin, dem Leser des seltsamen Büchleins keine dieser Basisinformationen zu gönnen. Hier wäre mehr mehr gewesen!
Ungeachtet dessen werden Cellisten und andere Interessierte die Schrift vermutlich mit Gewinn lesen, denn es zieht eine Reihe bemerkenswerter Gestalten am inneren Auge und Ohr vorüber. Kleinknechts Bemerkung, es gebe eingedenk individueller Ausprägungen von Sensibilität, Ehrgeiz, Erfolgsdruck und Nervosität den normalen Solocellisten nicht, wird man zustimmen können. Wer kennt sie heute noch? Etwa Anton Schwarz, der die Mannheimer Orchesterkultur beim kurfürstlichen Umzug 1778 mit nach München brachte; Philipp Moralt, Joseph Menter, Hippolyt Müller, die Meister des frühen 19. Jahrhunderts; Joseph Werner und Carl Ebner, Kollegen und Konkurrenten um 1900; den exzellenten Joseph Disclez; schließlich die Originale des 20. Jahrhunderts: Oswald Uhl, Adolf Schmidt und den auch als Lehrer sehr renommierten Walter Reichardt.
Insgesamt aber stimmt das Buch eher verdrießlich, da es von allzu hurtiger Produktionsgeschwindigkeit geprägt scheint. Seinem Gegenstand hätte mehr erzählerische Ruhe gut getan. Die hingeworfenen bibliografischen Angaben tun ein Übriges, um dieses harte Urteil (leider) zu unterstreichen.
Gerhard Anders