Die Soldaten
Von der Uraufführung der Oper Die Soldaten am 9. Februar 1965 gab es keinen direkten Mitschnitt, denn die kurz nach der Uraufführung entstandene Aufnahme wurde im Studio aufgenommen. Es war also an der Zeit, eine gemasterte Aufnahme auf CD vorzulegen. Michael Gielen stand bei der Uraufführung und der Studioaufnahme am Pult des Gürzenich-Orchesters. Zimmermann hatte seinerzeit Bedenken gegen den erst 37-jährigen Dirigenten, aber Gielen hatte einen so engen Kontakt zu Zimmermann aufgebaut, dass dieser schließlich alle Einwände fallen ließ. Wie richtig die Entscheidung für Gielen war, lässt sich auch mit der im Jahr 2007 herausgegebenen CD überprüfen.
Der große Orchesterapparat, die Zuspielungen, die weiteren Musikergruppen (Banda, Bühnenmusik, Jazzorchester) wurden von Gielen so kontrolliert und dynamisch differenziert eingesetzt, dass der Zuhörer ein plastisches Klangbild wahrnehmen kann. Natürlich fehlen die dramaturgischen Effekte der Filmsequenzen dies kann eben doch nur die DVD leisten. Doch die gesungenen oder gesprochenen Texte lassen sich sehr gut verfolgen, zumal das Booklet den vollständigen Text mit allen umfangreichen szenischen Anweisungen enthält.
Bernd Alois Zimmermann verlangte für eine Aufführung seiner Oper Spielflächen, die simultan aufgebaut werden können. Diese Möglichkeit fand man bei der RuhrTriennale in der Jahrhunderthalle Bochum, einem langgezogenen, hohen Raum, der etwas Scheunenartiges hat. Regisseur David Pountney (Bühne: R. I. Hopkins) teilte den Raum längs mit einem Steg, der die Spielfläche bildet. Die Umbauten der schnell wechselnden oder simultanen Szenen funktionierten reibungslos. Die Zuschauer saßen ebenfalls entlang dieses Steges, konnten also die wechselnden Szenen immer gut sehen.
Auch die Platzierung der Musikergruppen wurde in dieses Raumkonzept integriert. Das Hauptorchester ist linksseitig positioniert, der Dirigent steht mit dem Rücken zur Spielfläche. Aber das Singen mit Blickkontakt zu Monitoren ist für heutige Sänger kein Problem, umso weniger, wenn ein so großartiges Sängerensemble zur Verfügung steht, wie dies hier der Fall ist. Auch die kleinste der 18 Vokalpartien verlangt musikalisch äußerst sichere Interpreten. Der Komponist hat in seiner Partitur den verlangten Sängertypus genau angegeben; so verlangt er beispielsweise für die Partie der Marie einen hochdramatischen Koloratursopran. Claudia Barainsky (die Partie enthält mehrere f”’!) gestaltet ihren Part intelligent, musikalisch und berührend, und man versteht erstaunlich viel Text. Auch Claudio Otelli ist für den Stolzius vokal und darstellerisch richtig besetzt. Weiter hervorgehoben seien Peter Hoare in der sehr hohen Tenorpartie des Desportes und der Tenor Robert Wörle, der sich ebenfalls in extremster Höhe sicher bewegt.
Die Bochumer Symphoniker leisten an allen Pulten musikalische Schwerst- und Präzisionsarbeit. Wie viele Proben mögen sie gehabt haben? Ein Dirigent dieses Werks muss auch ein Klangkoordinator sein, um alle Musikergruppen Jazz-Combo, Bühnenmusik (die man auf der DVD allerdings nicht räumlich abgesetzt wahrnimmt), rhythmisch auf Tische trommelnde Sänger und Schauspieler zu steuern und das komplizierte musikalische Geflecht auch für die Zuhörer klanglich erfassbar zu machen; dies gelang Steven Sloane sehr eindrücklich. Auch gute Orchester spielen so komplexe Partituren nicht allzu oft; um so mehr zeigt das Ergebnis, wie gut die Bochumer Symphoniker und ihr Dirigent gearbeitet haben. Die vorliegende Aufnahme kann für das Verständnis des Werks nur dienlich sein. Da beide Aufnahmen nicht ungekürzt sind, wäre es sehr zu begrüßen, wenn das Werk einmal in voller Länge eingespielt würde.
Helga Schmidt-Neusatz