Geck, Martin
Die Sinfonien Beethovens
Neun Wege zum Ideenkunstwerk
Martin Geck zählt zu jenen wenigen Autoren, die man immer mit Gewinn liest. Seine großen biografischen Darstellungen zu Johann Sebastian Bach und Richard Wagner sind Meilensteine aktueller Musikhistoriografie, weil sie, neben aller Dichte in der Aufarbeitung der Fakten, immer auch den Musikpädagogen erkennen lassen, mithin glänzend konzipiert und geschrieben sind und jedermann vorbehaltlos empfohlen werden können. Auch zu Beethoven hat sich der Autor bereits in der Vergangenheit prominent und nachdrücklich zu Wort gemeldet: Seine neue rororo-Monografie etwa ist der alten klischeebehafteten von Fritz Zobeley turmhoch überlegen.
Nun also neun eher kleine Essays zu den Symphonien: Ab einem gewissen Alter (und entsprechend ausgestattet mit höchster Reputation) braucht ein Autor keine Angst mehr zu haben, sich auf glattes Parkett zu begeben, auch wenn der Gegenstand, über den er schreibt, nun wahrhaft austherapiert zu sein scheint. Entsprechend darf der Fachmann nicht erwarten, in Gecks Darstellung durchgehend mit Neuem bekanntgemacht zu werden: Dies betrifft die einzelnen Werkdarstellungen ebenso wie die in zwei Hinführungen zusammengestellten Gedankengänge und Verständnisvoraussetzungen. Überlegungen zu Bonaparte dürfen hier natürlich ebenso wenig fehlen wie die Diskussion über den falschen Repriseneinsatz im Kopfsatz der Eroica, über unerhört schreiende Dissonanzen oder über Kontrapunkte con alcune licence, wie Beethoven sie so schätzt.
Die neun Einzelkapitel zu den Symphonien sind eher knapp gehalten (zwischen 6 und 16 Seiten) und bestechen neben der wunderbar klaren Diktion gerade durch ihren persönlichen Zugriff. Geck schreibt keinen Werkführer, sondern stellt heraus, was ihm wichtig ist. Er hat alles Recht dazu, und der Leser darf, nein: sollte sich dem Autor vorbehaltlos anvertrauen. Er profitiert vom Nachvollziehen jedes Haupt- und Nebengedankens. Da der Blickwinkel von Werk zu Werk wechselt keine Symphonie gleicht der anderen! , kommt es auch zu keinerlei Doppelungen oder Redundanzen. Beethovens Ideenkunstwerk, wie Geck es insistierend nennt, wird gerade durch den unkonventionellen und eher subjektiven Zugriff des Autors bis in die sonst oftmals unbeachteten Winkel hinein ausgeleuchtet.
Die Textpartien des Buchs sind also, wie erwartet und erhofft, großartig gelungen. Leider sind die Abbildungen so klein geraten, dass sie trotz der bisweilen intensiven Bildunterschriften unberedt bleiben müssen weil man schlicht zu wenig erkennen kann. Freilich ist dem Rezensenten auch nach intensivem Nachdenken nicht eingefallen, wie man hier klüger hätte verfahren können. Davon abgesehen gibt es praktisch keine Zielgruppe, der man dies Buch nicht wärmstens empfehlen könnte.
Ulrich Bartels