Susanne Gilles-Kircher / Hildegard Hogen / Rainer Mohrs (Hg.)
Die Schott Music Group
250 Jahre Verlagsgeschichte
März 1827. Beethoven liegt auf dem Sterbebett, als die von ihm erbetene Sendung Rüdesheimer Weins eintrifft. „Schade! Zu spät!“: Dies sollen des Komponisten letzte Worte gewesen sein. Absender dieser Weinlieferung war der Mainzer Verlag Schott, mit dem Beethoven Mitte der 1820er Jahre in Kontakt getreten war und dem er die Rechte zur Veröffentlichung der Missa solemnis und der neunten Symphonie übertragen hatte.
Nicht nur Beethoven wurde im Jahr 2020 zweihundertfünfzig Jahre alt, sondern auch das von Bernhard Schott 1770 in Mainz gegründete, bis heute dessen Nachnamen tragende Verlagshaus, das sich mit einem Text- und Bildband selbst zum Geburtstag gratuliert. „250 Jahre Verlagsgeschichte“ werden hier dokumentiert, Jahre voller Erfolge, aber auch voller Krisen. Doch immer gelang es den geschäftstüchtigen Inhabern, den Verlag durch schwierige Zeitläufte zu steuern, von der französischen Besetzung 1797 an bis hin zu den Krisen der Inflationszeit und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Untrennbar verwebt sich in der Darstellung immer wieder Musik- mit Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
Der älteste noch existierende deutsche Musikverlag ist die heutige „Schott Music Group“ zwar nicht, hat aber eine Sonderstellung dadurch, dass er nach wie vor als Familien- oder wenigstens Zwei-Familien- Unternehmen gelten kann. Als die Familie Schott in der Enkelgeneration im Jahr 1874 ausstarb, wurde der junge Ludwig Strecker vom Gründer-Enkel Franz Schott zum designierten Nachfolger erwählt, und bis heute liegt die Verlagsleitung in der Hand von dessen Nachkommen.
Viele große Namen der Musikgeschichte sind in den Verlags-Katalogen vertreten: nach Beethoven hervorstechend Richard Wagner, dessen üppige Honorarforderungen die Verlagsleitung mit dem sicherem Instinkt akzeptierte, eine Zukunftsinvestition zu tätigen. Der Erfolg im Aufspüren neuer Autoren setzte sich im 20. Jahrhundert mit Hindemith und Strawinsky fort, wobei die Entstehung des Violinkonzerts des Letzteren von Willy Strecker initiiert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wusste der Verlag neuerlich mit Henze, Reimann, Ligeti und Penderecki Komponisten an sich zu binden, die Musikgeschichte machten.
Natürlich: mit großen Namen allein kann ein Verlag nach ökonomischen Gesichtspunkten nicht existieren. Es wundert nicht, dass sich die Verlagspolitik stets auch am breiten Geschmack orientierte und mit Bearbeitungen populärer Stücke auf die Zielgruppe der Liebhaber und Amateure setzte. Erstaunt liest man ferner, dass der Verlag Schott im frühen 19. Jahrhundert auch im Instrumentenhandel und -bau aktiv war.
Biografische und sachbezogene Kapitel wechseln einander in der Darstellung ab, was zudem durch die Tätigkeit mehrerer Autoren zu gelegentlichen Redundanzen führt. Das stört letztlich wenig, wenn der Leser dafür immer wieder unverhofften Nutzen zieht: So wird ihm etwa nebenbei eine kleine Geschichte der Notenherstellung geboten.
Gerhard Dietel