Joseph Haydn

Die Schöpfung

Christiane Karg (Sopran), Benjamin Bruns (Tenor), Tareq Nazmi (Bass), MDR Leipzig Radio Choir, Dresdner Philharmonie, Ltg. Marek Janowski

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Pentatone
erschienen in: das Orchester 12/2024 , Seite 70

Unter dem Eindruck Händelscher Oratorien in London bekundete Haydn, er wolle mit seinem Oratorium Die Schöpfung etwas schreiben, wodurch sein Name „in der Welt Bestand haben“ solle. Schon die Proben und die ersten Aufführungen vor geladenen Gästen, von Haydn selbst geleitet, fanden ein begeistertes Echo. Die Popularität dieses überkonfessionell religiösen Werks ist seither ungebrochen. Doch es gab auch Einwände. Goethe, der es in Weimar zusammen mit Schiller und Wieland angehört hatte, meinte in Bezug auf die Naturschilderungen: „Töne durch Töne zu malen […] ist detestabel.“ Zelter hingegen, der die einleitende „Vorstellung des Chaos“ in höchstem Maße bewunderte, empfahl in einem Brief an Goethe, „die Worte als ein Gerüste wegzuthun und ein architektonisches Musikwerk vor sich zu haben, das man wie eine bedeutende Sinfonie oder Sonate aufnimmt“. Vielleicht hilft uns dieser Hinweis, die patriarchalischen Textpassagen im dritten Teil gelassen zu ertragen.
Die vorliegende Aufnahme ist ein Livemitschnitt vom Juli 2022 aus dem Kulturpalast Dresden. Alle Geräusche aus dem Saal wurden gründlichst eliminiert. Kleine orchestrale Unschärfen in der Einleitung und am Anfang des dritten Teils zeigen, dass auf Korrekturschnitte verzichtet wurde. Die Gesangssolist:innen agieren auf hohem Niveau, ihre Deklamation in den Rezitativen ist lebendig, in den Arien dem jeweiligen Charakter entsprechend differenziert. Ein manchmal sehr expressives Vibrato lässt die größere Anspannung im Vergleich zu einer Studioproduktion erkennen. Chor und Orchester sind zuverlässige Partner, der Dirigent wählt Tempi, die oft zügig, aber stets angemessen sind. Das Hammerklavier kommt nur in den Secco-Rezitativen zum Einsatz. Haydn schreibt zwar nur vereinzelt an sehr leisen Stellen „senza Cembalo“ vor, die heute übliche Aufstellung der Klangkörper wie auch der volle Orchestersatz machen aber ein Continuo-Tasteninstrument für die übrigen Sätze entbehrlich.
Die Veröffentlichung dieses Mitschnitts dokumentiert eine überaus gelungene Aufführung. Das Klangbild lässt diese Rahmenbedingungen jedoch vergessen, und so treten hin und wieder kleine Unzulänglichkeiten hervor, die in einem Konzert unvermeidlich und verzeihlich sind.
Über die Uraufführung ist kolportiert worden, dass eine Menschenmenge das Schwarzenberg-Palais belagert habe, so dass die Polizei eingreifen musste. So teilt es auch der Verfasser des Booklet-Textes mit. Diese Legende dürfte maßlos übertrieben sein. Es ist durch Kostenaufstellungen belegt, dass ein Veranstalter üblicherweise die Ordnungskräfte zu organisieren und zu bezahlen hatte, damit der Kutschenverkehr geregelt wurde, außerdem mussten die Markthändler für ihren Verdienstausfall entschädigt werden. Dies waren die Parkplatzprobleme um 1800.
Jürgen Hinz