Janácek, Leoš

Die Sache Makropulos

Oper in drei Akten, Studienpartitur / Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 1926/2014
erschienen in: das Orchester 03/2017 , Seite 64

So zielstrebig Leoš Janác?ek die Auswahl und Ausarbeitung seines neuen Opernstoffs betrieben hat, so verworren und widersprüchlich zog sich die Herstellung von Notentext und Aufführungsmaterial hin. Am Ende blieben so viele Unklarheiten, dass es 90 Jahre gedauert hat, bis das Werk (die Partitur erstmals!) in einer Druckversion, die alle Intentionen des Komponisten berücksichtigt, vorlag. Eine Herkulesaufgabe, und so wurde das Vorwort mit detaillierten Informationen und Quellenangaben 66 Seiten lang.
Karel Capeks Komödie Die Sache Makropulos (Vec Makropulos) kam am 21. November 1922 in Prag zur Uraufführung – kurz vor der Premiere der Janácek-Oper Katja Kabanova. Anfang 1923 traf der Komponist mit dem Dichter in Brünn zusammen und stellte danach erste Überlegungen an, dessen Stück zu vertonen. Dem Themenkreis vom ständigen Werden und Vergehen der Natur im Schlauen Füchslein folgend, will er nunmehr existenzielle Fragen des menschlichen Lebens aufgreifen: „Eine Schönheit, 300 Jahre alt und ewig jung, aber nur ausgebranntes Gefühl. Kalt wie Eis!“ Dabei verzichtet Janácek auf die Satire und Ironie der Vorlage und stellt Mitleid mit einer unglücklichen Frau ins Zentrum der Handlung, für deren Textfassung ihm Capek freie Hand gelassen hatte. Janácek änderte an den Figuren nichts und für sein Libretto nur wenig: Kürzungen, Umstellungen und dramaturgische Akzentuierungen (Finale).
Am 11. November 1923 begann er die Komposition, am 3. Dezember 1925 war die erste Niederschrift fertig. Und zwischen der Abgabe des Klavierauszugs bei der Wiener Universal Edition am 14. Juni 1926, dem Probenbeginn im September und dem großen Uraufführungserfolg vom 18. Dezember 1926 am Brünner Nationaltheater begann ein abenteuerliches Verwirrspiel um die endgültige Version dieser Oper.
Janácek war daran nicht unschuldig. Bis zuletzt wollte er ändern. Den Vertragsabschluss mit dem Verlag zögerte er bis in den Juli 1926 hi­naus, weil er das Werk zum Internationalen Musikwettbewerb in Philadelphia einreichen wollte. Und die Querelen mit Max Brod um die deutsche Übersetzung führten dazu, dass das Libretto 1928 nach Janáceks Forderungen gedruckt wurde, in der Partiturabschrift der UE aber Brods Eingriffe unkorrigiert blieben.
Da außer den Wünschen des Komponisten noch die Vorstellungen der Kopisten, der Dirigenten und der Regisseure in Brünn und Prag (1928) in das Notenmaterial eingegangen sind, war ein schier unübersichtliches Feld für den Herausgeber zu beackern: Vier verschiedene Partiturhandschriften (Janáceks Autograf, die Abschrift des Verlags, die autorisierten Kopien von Václav Sedlácek und Jaroslav Kulhánek), die Klavierauszüge und handschriftlichen Orchesterstimmen, die Solopartien, die Chorpartitur sowie die zahlreichen Änderungen durch den Komponisten selbst. Mit der kritischen Neuausgabe hat sich Jiri Zahrádka enorme Verdienste um Janáceks Meisterwerk erworben, das die Universal Edition jetzt in einer schönen Drucksausgabe attraktiv präsentiert.
Eberhard Kneipel