Manfredo Zimmermann

Die Ornamentik in der Musik des Barock

Handbuch für das eigenständige Verzieren

Rubrik: Buch
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 65

Es gibt Schallplatten-Aufnahmen barocker Musik, die sind keine 50 Jahre alt, und doch wird beim Singen oder Spielen kein Ton verziert (Karl Richters Einspielung von Händels Giulio Cesare ist so ein Beispiel). Dabei war doch schon viel länger bekannt, dass Werke des 17. und frühen 18. Jahrhunderts nicht so dezidiert notiert waren wie eine Mahler-Sinfonie, dass vieles anders gespielt wurde als es in den Noten steht und vor allem – eben aufgrund der damals üblichen Verzierungspraxis – viel mehr gespielt wurde als notiert ist. Glücklicherweise wissen die allermeisten Musizierenden das jetzt und beherzigen es in der Praxis. Es wird an den Musikhochschulen unterrichtet, zahlreiche Bücher dazu liegen vor – und selbst die Quellen in Gestalt der Lehrwerke der damaligen Zeit sind leicht greifbar. Die großen Meister der Alten- Musik-Szene haben diese natürlich eingehend studiert und interpretieren sie bei ihren Aufführungen in individueller und zumeist sehr spannender und aufregender Weise. Allein, ein solches Studium ist sehr aufwendig und für Schüler, Studenten, Amateure und Profis, die nicht in erster Linie Musik zwischen Monteverdi und Bach spielen, kaum zu leisten.Der nun vorliegende Band zur Ornamentik in der Musik des Barock von Manfredo Zimmermann richtet sich denn auch vorwiegend an diese Zielgruppe und bietet eine ideale Chance, sich ohne jahrelanges Quellenstudium und umfangreichen Hochschulunterricht mit den wesentlichen Momenten der barocken Verzierungspraxis vertraut zu machen. Um diese als einem zentralen Element der Musizierpraxis zwischen 1600 und 1750 geht es vorrangig in Manfredo Zimmermanns pädagogischem Projekt, zu dem neben dem Buch auch Sound-Files im Netz mit Klangbeispielen und Cembalobegleitungen in moderner und alter Stimmung gehören. Sie sind gut gewählt und beim eigenen Spiel sehr effektiv einsetzbar. Es gelingt dem Autor, die Sache auf den Punkt zu bringen und ohne unnötigen Ballast das Wesentliche zu vermitteln. Buch und Klangbeispiele bilden ein Lern- und Übungswerk, das zum Musizieren animiert und anleitet. Es ist über die Verzierungspraxis hinaus auch ein Projekt, das in sehr übersichtlicher und klarer Weise wesentliche Grundmomente des historisch informierten Spiels erklärt. Zimmermann zitiert dabei regelmäßig die wichtigen Lehrwerke etwa von Carl Philipp Emmanuel Bach oder Johann Joachim Quantz und entnimmt ihnen auch Notenbeispiele. Sehr spannend ist der Verweis auf zeitgenössische Verzierungsmuster, die zeigen, wie vielfältig im 17. und 18. Jahrhundert die Kunst des Ornamentierens gepflegt wurde. Gerade durch seine Fülle an für ein breites Publikum kompakt vermittelten historischen Fakten und seine große Praxistauglichkeit sollte der Band viele Interessenten finden. Er ist allen Freunden der barocken Musik und solchen, die es werden wollen, zu empfehlen. Vor allem jenen, die, auf welchem Stand auch immer, diese herrliche Musik selbst spielen.
Karl Georg Berg