Grünsteudel, Günther
Die Oettingen-Wallersteiner Hofkapelle
Ein Beitrag zur Geschichte der Hofmusik in Süddeutschland
Von seinen über 100 Sinfonien hat Joseph Haydn drei späte zwischen den sechs Parisern und den zwölf Londonern im Auftrag eines deutschen Fürstenhofs im Nördlinger Ries geliefert, für Oettingen-Wallerstein. Dessen Fürst Kraft Ernst bestellte drei Sinfonien bei ihm: Haydn schickte die Nummern 90 bis 92. Das waren zwar nicht die vom Fürsten, einem großen Haydn-Verehrer, gewünschten Unikate, aber der adelige Herr entlohnte Haydn dennoch großzügig. Auf seiner Reise nach London machte der Komponist auch im Schwäbischen Halt. Dort war auf der Reise von Salzburg nach Mannheim auch der junge Mozart für kurze Zeit zu Gast, doch der Fürst war des herben Verlusts seiner jungen Gattin wegen gerade da tief melancholisch und der Musik nicht zugetan. Vater Mozart hatte übrigens auch ein Konzert für zwei Hörner für die famosen Musiker der Hofkapelle dort komponiert.
Die Geschichte der Oettingen-Wallersteiner Hofkapelle berührt also die Weltgeschichte der Musik im 18. Jahrhundert und ist deshalb beileibe nicht nur von regionalgeschichtlichem Interesse. Und mit Antonio Rosetti und Joseph Reicha, dem Oheim von Anton Reicha, wirkten nicht unbedeutende Musiker als Leiter der Hofkapelle in Wallerstein und der Sommerresidenz Schloss Hohenaltheim.
Der vorliegende Band, mit dem der Autor seine langjährige Beschäftigung mit dem Gegenstand krönt, bietet deshalb besonders im ersten Teil einen sehr lesens- und wissenswerten Einblick in die Musikpflege am Hof von Oettingen-Wallerstein im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Sehr anschaulich wird berichtet und mit vielen Dokumenten belegt, wie die Musikkultur an einem deutschen Fürstenhof jener Zeit aussah. Wie um die Jahrhundertmitte die Blüte unter kunst- und musikliebenden Fürsten begann. Oettingen-Wallerstein galt unter dem erwähnten Fürsten Kraft Ernst als schwäbisches Mannheim und stand gemessen an seiner Größe für eine ausgezeichnete Musikpflege und Orchesterkultur. Im Lauf des 19. Jahrhunderts aber erlosch der Glanz immer mehr und die Kapelle löste sich alsbald auf. Das Foto eines Sextetts um 1860 dokumentiert das letzte Häuflein.
Günther Grünsteudels Buch überzeugt durch die akribisch und was den Leser freut anschaulich aufgearbeitete Materialfülle. Dafür sorgen auch die zahlreichen Abbildungen. Der Band bietet lebendige und gleichzeitig gründliche (Musik-) Geschichtsschreibung, die nicht nur dem am konkreten Gegenstand Interessierten gefallen und nützen wird. Sie wirft überdies exemplarisch einen Blick auf das Musikleben an einem Fürstenhof in den spätfeudalen Zeiten und auf die Lebensumstände der dort tätigen Musiker und ihrer Dienstherren. Damit bietet sie auch ein Stück Sozialgeschichte.
Der zweite Teil des faktenreichen Buchs ist enzyklopädisch angelegt und bringt neben Tabellen der Musiker der Hofkapelle und Inventarlisten vor allem Biografien der Mitglieder der Hofmusik in Oettingen-Wallerstein. Auch diese sind spannend zu lesen, weil sie den sonst meist namenlosen Musiker aus vergangenen Zeiten ein Gesicht geben.
Karl Georg Berg