Bernhard Jahn (Hg.)

Die Musik in der Kultur des Barock

Handbuch der Musik des Barock Bd. 7

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber
erschienen in: das Orchester 10/2019 , Seite 59

Keine Musik entsteht außerhalb ihrer Zeit und fernab eines konkreten kulturellen Umfelds, das ist klar. Doch diese Beziehungen sind gewiss nicht zu allen Zeiten gleich stark. Schon in der Wiener Klassik und erst recht im 19. Jahrhundert gewinnt die Musik eine so deutliche eigene, in der Tendenz unabhängige und universelle Verfassung, dass die Kenntnis der Kultur, vor deren Hin­tergrund sie entsteht, wichtig und notwendig ist, aber sie nur begrenzt zu entschlüsseln vermag. Das ist in den Jahrhunderten zuvor doch etwas anders – und ganz besonders in der Barockzeit, in der die Künste untereinander überhaupt eine ganz besonders innige Verbindung einzugehen schienen. Wer hörte nicht beim Betreten eines barocken Bauwerks, einer barocken Kirche oder eines barocken Schlosses in sich barocke Musik. Das ist kein Zufall.
Dass als Teil des ambitionierten Projekts „Handbuch der Musik des Barock“ ein Band den Blick auch über die rein musikalischen Phänomene der Musik dieser Zeit hinaus richtet, ist absolut naheliegend und dringend geboten. Nun liegt er als Band 7 also vor, der Band zur Musik in der Kultur des Barock. Herausgegeben hat ihn Bernhard Jahn, Hamburger Professor für Literatur des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, aber auch studierter und ausgewiesener Musikwissenschaftler. Er und anerkannte Kollegen aus vielen unterschiedlichen Disziplinen haben die einzelnen Beiträge verfasst und beleuchten das Thema aus sehr vielen Blickwinkeln. Da geht es theoretisch um den Platz der Musik im barocken System der Wissenschaften, um ihre Beziehungen zur Theologie, Philosophie oder Mathematik der Zeit. Da wirken in der Vorstellungswelt jener Zeit ja zum Teil alte Vorstellungen weiter oder werden neu akzentuiert. Vor allem gewinnt besonders in der Folge der Theologie Luthers die Musik auch eine ganz neue praktische Bedeutung. Schütz und Bach: Die Musik dieser Meister ist ohne die neue Theologie nach der Reformation nicht vorstellbar. Eine andere neue Entwicklung des 16. Jahrhunderts hat das Verhältnis der Musik zu den anderen Künsten im Barock (und von da an bis heute) neu definiert: die Erfindung der Oper. Ein Kapitel widmet sich in diesem Zusammenhang denn auch den ersten, damals entstandenen Opernhäusern. Reizvoll an dem Band ist, dass er auch beschreibt, wie die Musik in den anderen Künsten widerscheint, zum Beispiel wie Musik in der Bildenden Kunst oder der Literatur des Barock thematisiert wird. Auch kunstgewerbliche Bereiche wie die grafische Gestaltung von Noten oder das „Design“ von Musikinst­ru­menten gehören zu den angesprochenen Themen. Musik und Medizin ist ein anderes Kapitel, da geht es natürlich auch um die Affektenlehre. Musik und Rhetorik darf nicht fehlen, schließlich ist das Wort von der Klangrede bei barocker Musik geradezu sprichwörtlich geworden. Der Band ist ein großartiges Kompendium und bietet eine spannende, fachlich immer höchst fundierte Fundgrube an Fakten und Einsichten. Er ist wirklich für Kenner und Liebhaber gleichermaßen ein Gewinn.
Karl Georg Berg