Smetana, Bedrich

Die Moldau

Urtext, hg. von Hugh Macdonald, mit einem Vorwort von Olga Mojžišová, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Prag 2014
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 64

Zu den allseits bekannten und vielfach aufgeführten Musikstücken im Konzertsaal gehört die Tondichtung Die Moldau. Bedrich Smetana komponierte mit ihr so etwas wie die heimliche tschechische Nationalhymne. Doch auch als Teil des übergreifenden sechsteiligen Zyklus Mein Vaterland ist sie singulär, spiegelt sich in ihr doch das Große im Kleinen: Die Geschichte, die Naturschönheiten und die Mythen des Landes – in den fünf anderen Tondichtungen einzeln „erzählt“ – sind hier vereint. Die vom Hörer erlebte „Bootsfahrt“ auf der Moldau wird zum Gang durch die Geschichte Böhmens von den zarten Anfängen bis zum majestätischen Vyšehrad-Thema am Schluss, benannt nach der berühmten Burg südlich von Prag, der Smetana im Vaterland auch die erste Tondichtung widmet. Die nationalen Gefühle von Stolz und Verbundenheit mit dem eigenen Land sind in den dynamischen Prozess und in die freie Rondoform der Moldau also geschickt eingebunden.
Die Tondichtung ist so populär und so oft auf CD eingespielt, dass sich der Sinn dieser Neuedition als Partitur durch den britischen Musikwissenschaftler Hugh Macdonald nicht sofort erschließt. Seine bei Bärenreiter vorgelegte Einzelausgabe der Moldau beruht auf dem Autograf von 1874 (Smetana Museum Prag), dem Erstdruck der Partitur bei Urbánek (Prag 1880) sowie der von Smetana eingerichteten vierhändigen Klavierfassung in Autograf (datiert auf Dezember 1875) und Druckfassung bei Urbánek (Prag 1879). Besonders die letzten beiden Quellen sind für die Kontrolle des Notentextes interessant, entstanden sie doch vor der Einrichtung der endgültigen Partitur.
Die Unterschiede dieser Einzeledition der Moldau zur entsprechenden Partitur innerhalb der kürzlich ebenfalls bei Bärenreiter herausgegebenen Gesamtedition des Zyklus Mein Vaterland (beruhend auf der Studienausgabe der Smetana-Edition von František Bartoš, 1966) sind allerdings marginal. Die auffälligste Änderung ist die Auflösung der Wiederholungszeichen im Moldau-Thema der Takte 55 bis 79, die nun ausgeschrieben werden und das Werk so auf 452 Takte (statt 427) „verlängern“. Wichtigster editorischer Diskussionspunkt ist die Notierung (genaue Tonhöhe) der Piccoloflöte in den Takten 366 bis 383, die in den verschiedenen Ausgaben voneinander abweicht.
Insgesamt bekommt der Dirigent, Student oder Wissenschaftler mit dieser Ausgabe zwar endlich eine sorgfältig und kritisch revidierte Urtextversion in die Hand, in der alle „Fehler“ älterer Ausgaben „korrigiert wurden“ – so unterrichtet das informative Vorwort von Olga Mojžíšová, Direktorin des Prager Smetana Museums. Der Leser gewinnt aus dem Studium der Partitur freilich kaum wesentlich neue Erkenntnisse über das Jahrhundertwerk Die Moldau.
Matthias Corvin

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