Franz Schubert

Die Liebe liebt das Wandern / Symphonie Nr. 8

Eine Hörbiografie von Jörg Handstein, gelesen von Udo Wachtveitl & Robert Stadlober, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Herbert Blomstedt, 4 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 81

Achtung! Vorliegende Hörbiografie macht melancholisch. Nach bereits zehn erschienenen Hörbiografien – unter anderem über Mozart, Beethoven, Händel und Wagner – kam nun eine über Franz Schubert heraus, verfasst von Jörg Handstein. Gelesen hat sie der aus der Münchner Tatort-Reihe bekannte Udo Wachtveitl; Robert Stadlober hauchte mit seiner Stimme Franz Schubert Leben ein.

In insgesamt neun Kapiteln wird dessen Leben auf drei CDs chronologisch erzählt bzw. erwandert: „In ihrem melodischen Duktus, auf den verschlungenen Pfaden ihrer Modulation. Sie führt in die Weite, die Ferne, die Utopie“, so der Booklet-Text. Dabei musste der Autor, wie auch zahlreiche Biografen vor ihm, feststellen, dass es von und über Schubert nur wenige Quellen gibt, Informationen zu seinem Leben überwiegend von seinen Freunden stammen.

Jörg Handstein macht das einzig Richtige: Er bemüht glücklicherweise nicht die üblichen Klischees des scheinbar nur „somnambul“ – also schlafwandlerisch und unreflektiert – schaffenden und armen Künstlers und ergeht sich nicht in kitschigen, romantisch verklärten Schubert-Bildern einer „Dreimäderlhaus-Idylle“. Vielmehr lässt er die beiden sich nicht in den Vordergrund drängenden Hauptakteure Schuberts sehr spärlich überlieferte Tagebuchaufzeichnungen und Briefstellen rezitieren. In verteilten Rollen gelesene Schilderungen der recht glaubhaften Erlebnisse von Schuberts Verwandten und engsten Freunden – wie beispielsweise Franz von Schober und Joseph von Spaun – runden die Hörbiografie ab.

Außerdem stellt der Autor das Ganze in einen spannend dargestellten, historischen Kontext mit all den Restriktionen auf kulturellem Gebiet und zitiert auch hier verschiedene Quellen. Da fallen kleinere Ungenauigkeiten nicht ins Gewicht wie beispielsweise die angebliche Aussage Schuberts, dass sein Opus 1 (Erlkönig D 328) „lieber der Teufel spielen soll“. Der Eindruck, Schubert habe nur genialisch und unreflektiert komponiert, könnte hier entstehen. Insbesondere beim Erlkönig gibt es zahlreiche Fassungen, die von einem intensiven und bewussten Kompositionsprozess zeugen.

Erfreulich, dass die Entstehung der „Unvollendeten“ hier entmystifiziert wird. Keine wabernde Geheimniskrämerei à la Arnold Schering von 1938 also, mit kaum zu tilgenden Klischees um deren Entstehung. Jörg Handstein erklärt schlicht und einfach, Schubert habe die Sinfonie weggelegt, weil er einen lukrativen Kompositionsauftrag erhalten hat.

Und nicht zuletzt spricht ganz besonders die Musik selbst, die von bekannten Interpreten zu Gehör gebracht wird. Keine noch so vernachlässigte Gattung wie Schuberts Frühwerke, seine Kirchenkompositionen oder die Männerchorwerke wird ausgelassen und man erhält einen vollumfänglichen Höreindruck. Eine leider nicht mehr ganz aktuelle Aufnahme der großen C-Dur-Sinfonie rundet zuletzt diese Edition ab.

Werner Bodendorff