Carl Flesch

Die Kunst des Violinspiels

kompakt bearb. von Maximilian Simon und Nadine Contini

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ries & Erler
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 65

Fast 100 Jahre ist es nun her, seit Carl Flesch Die Kunst des Violinspiels bei Ries & Erler veröffentlicht hat. Flesch, der zahlreiche Konzerte auf der Geige gab, in der Kammer­musik sehr aktiv war und auch als Professor für Violine an Konservatorien in Bukarest, Berlin und Ams­terdam unterrichtete, widmete sich zusätzlich intensiv der Geigenmethodik. Zu seinen Lehrwerken zählen u.a. die Urstudien für Violine (1911), die Etüden-Sammlungen (1921), Das Skalensystem (1926), Das Klangproblem im Geigenspiel (1931) sowie Die Kunst des Violinspiels (1923).
Letzteres wurde nun im Auftrag von Ries & Erler bearbeitet und neu herausgegeben. Dabei war es sicher­lich ein geschickter Schachzug des Verlags, die Neubearbeitung durch zwei praktizierende Experten des Fachs, Maximilian Simon und Na­dine Contini, beide Geiger im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, durchführen zu lassen. Für das Grußwort der Neubearbeitung konnte man mit Anne-Sophie Mutter eine Weltklassegeigerin gewinnen, die selbst nach den geigerischen Grundsätzen von Flesch ausgebildet wur­de und mit ihrem weiten Klangfar­benspektrum sowie ihrer brillanten Technik wohl das beste Beispiel für den Erfolg der Flesch-Systematik ist.
Hauptmerkmal der Neubear­beitung durch Simon und Contini ist die sprachliche Aktualisierung der Originalbände. Diese hat mit Si­cherheit zur Folge, dass die wertvol­len Hinweise Fleschs einer größeren Leserschaft zugänglich werden und Fleschs Anregungen somit eine Re­naissance erfahren können.
Im direkten Vergleich mit dem Ori­ginal fällt außerdem auf, mit welch großer Genauigkeit Simon und Contini beide Bände Fleschs zu ei­nem zusammenfassen. Dabei glie­dern sich die 280 Seiten wie das Original in drei Großabschnitte zu den Themen „die allgemeine Tech­nik“, „die angewandte Technik“ so­wie dem Bereich „Künstlerische Ge­staltung und Unterricht“, die je­weils mit Fotos und Notenbeispie­len verdeutlicht werden.
Beginnend mit Tipps zur Pflege des Instruments und einer ausführ­lichen Beschreibung der Geigen- und Bogenhaltung bis hin zu Hin­weisen zur Ausführung des Spring­saltatos in Paganinis zehnter Caprice behandelt der Band alle techni­schen Aspekte des Geigenspiels vom ersten Anfang bis hin zum vir­tuosen Können.
Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass bei der Neubearbeitung auf das Verzeichnis der Notenbeispiele und die detaillierten Interpretationshin­weise von Flesch für weitere Werke der Geigenliteratur verzichtet wur­de. Hier muss der interessierte Leser dann doch auf Fleschs Original zurückgreifen. Spannend für den heutigen Leser ist in jedem Fall die Unterrichtsskizze zum Mozart-Vio­linkonzert in A-Dur, da sie den Un­terrichtsstil Fleschs in anschauli­cher Weise darstellt.
Im Gesamten gesehen bleibt festzuhalten, dass es sich um eine Neuausgabe handelt, für die eine klare Kaufempfehlung ausgespro­chen werden kann. Gerade die sprachliche Bearbeitung mit ihren präzisen Formulierungen zeichnet diese Neuauflage besonders aus und macht es für Violinspieler jeden Ni­veaus ebenso wie für Geigenlehr­kräfte zu einem wertvollen Kom­pendium.
Gabriele Hirte