Claus-Steffen Mahnkopf

Die Kunst des Komponierens

Wie Musik entsteht

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Reclam, Leipzig
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 62

Wie entsteht Musik? Sind Komponist:innen Genies? Oder eher Kunsthandwerker:innen, deren Aufgaben auch Algorithmen übernehmen könnten? Claus-Steffen Mahnkopf legt ein kurzweiliges, flott geschriebenes, assoziativ-sprunghaftes Buch rund um das Komponieren vor. Vieles kann der Autor aus eigener Anschauung beisteuern, arbeitet er doch sowohl als Komponist als auch in Leipzig als Professor für Komposition. Zudem gibt er die Zeitschrift Musik & Ästhetik heraus; die Debatten in der verästelten Szene der zeitgenössischen Musik sind ihm also vertraut. Entsprechend breit kann Mahnkopf, der sich auch als profunder Kenner der Musikgeschichte erweist, das Thema seines Untertitels in drei Kapiteln angehen:
In den „Grundlagen“ bietet er Einblicke in die Musikgeschichte und betont die Vielfalt kompositorischer Herangehensweisen, die sich an jeder Stelle zwischen den Polen des genialen Einfalls und handwerklicher Routine ereignen können. Beethoven markiert er als entscheidenden Ursprung für das moderne Künstler-Selbstverständnis.
Im Kapitel „Komponieren“ geht es um das Komponist:innen-Dasein in allen Facetten: Woher kommen die musikalischen Einfälle? Was passiert im Kompositionsstudium? Wie sieht der Arbeitsalltag eines Komponisten aus? Man merkt, dass Mahnkopf hier eigene Erfahrungen einbringen kann. Die Frage, wovon ein Komponist überhaupt lebt, führt schnell zur Diagnose einer abgeschotteten, gesellschaftlich bedeutungslosen Blase der Gegenwartsmusik, die nur in einem öffentlich finanzierten System von Spezial-Festivals überleben kann. Zwar bemühe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, so Mahnkopf, den Resonanzraum in die Gesellschaft zu öffnen. Das Fernsehen und inzwischen auch die Feuilletons würden zeitgenössische Klänge aber weitgehend ignorieren.
Im dritten Kapitel „Kunst“ geht es beim Versuch, die schöpferischen Herangehensweisen bei Klassik, Jazz, Pop und Filmmusik zu unterscheiden, etwas schablonenhaft zu. Der Autor erweist sich als Weiterdenker von Adornos Thesen zur Kulturindustrie, die sich durchaus auf die heutige Optimierung von Hits durch Klickzahlen und Likes anwenden lassen. In der ernstzunehmenden Musik, so ist Mahnkopf überzeugt, wird die Materialevolution weiterhin andauern, da diese stets aufs Neue den Zeitgeist in sich aufnimmt.
Mahnkopf schreibt kurzweilig und anschaulich, verzichtet auf Notenbeispiele und Fachsimpelei. Das Buch bringt Kenner:innen viel Neues, wendet sich aber vor allem an Musikliebhaber:innen, die ihre Leidenschaft besser verstehen wollen.

Antje Rößler