Ludwig van Beethoven

Die Klavierquartette WoO 36 Nr. 1-3 & op. 16a

Klaviertrio Hannover (Katharina Sellheim, Klavier; Lucja Madziar, Violine; Johannes Krebs, Violoncello), Konstantin Sellheim (Viola)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 03/2020 , Seite 71

Bei der Flut von Neueinspielungen zum Beethoven-Jubiläumsjahr stellen sich manche sicher die Frage, ob das alles sein muss und inwieweit die zahlreichen Interpretationen wirklich etwas Neues und Innovatives zu bieten haben. Diese CD mit den frühen Klavierquartetten von Beethoven gibt allerdings einen interessanten Einblick in die Zeit seiner kompositorischen Lehrjahre. Die drei Klavierquartette WoO 36 Nr. 1-3 schrieb der junge Beethoven mit 15 Jahren. In dem galanten und manchmal auch spielerisch-virtuosen Stil, gewürzt mit einer Prise Humor, kommt die „ganz ungebändigte Persönlichkeit“ (Goethe) des kompositorischen Talents zur Entfaltung.
Manches klingt nach Mozart (Vorbild waren hier vor allem dessen Violinsonaten) und nach den zwei Jahre zuvor komponierten drei „Kurfürsten-Sonaten“ WoO 47. Im 2. Satz des C-Dur-Quartetts ist das F-Dur-Thema zu hören, welches Beethoven im 2. Satz seiner Klaviersonate op. 2 Nr. 1 dann kunstvoll weitergeführt hat. Im Es-Dur-Quartett finden wir im energiegeladenen es-Moll-Mittelsatz, dem „Allegro con spirito“, harmonische Wendungen, die schon auf spätere Werke (beispielsweise die Appassionata) hinweisen.
Auch im humorvollen und tänzerischen D-Dur-Quartett verwendet der junge Komponist mit dem Pendeln zwischen fis-Moll und A-Dur im „Andante con moto“ eine damals eher ungebräuchliche Grundtonart. Schade, dass bei diesem Quartett im Rondo-Schlusssatz der ansonsten bestens disponierte Flügel beim A-Dur in der Mittellage etwas verstimmt ist.
Eine konzertante, eher sinfonisch geprägte kompositorische Anlage begegnet uns im Es-Dur-Quartett op. 16a, welches Beethoven mit 16 Jahren komponierte, zunächst als Bläserquintett, und anschließend für Klavierquartett bearbeitete. Schon bei der Grave-Einleitung entfaltet sich ein großer melodischer Spannungsbogen. Im „Andante cantabile“-Mittelsatz kommen die melodischen Qualitäten der einzelnen Instrumente ganz besonders zur Geltung. Der „Rondo“-Schlusssatz bietet tänzerischen Schwung und ein überraschendes Ende.
Das homogen agierende Klaviertrio Hannover mit der Pianistin Katharina Sellheim, der Geigerin Lucja Madziar und dem Cellisten Johannes Krebs, ergänzt von Konstantin Sellheim (Viola), verleiht den Quartetten mit seiner Spielfreude und stilistischen Sicherheit Glanz und künstlerisches Profil. Das könnte bei manchen Hörern Lust und Interesse wecken, sich mit diesen weniger bekannten Werken selbst zu beschäftigen.
Aufgenommen wurde die gut klingende CD im Frühjahr 2019 im SWR2-Studio in Kaiserslautern. Tonmeister Ralf Kolbinger sorgte für eine gelungene, ausgewogene Abmischung, die allen vier Instrumenten Transparenz verleiht und, von wenigen etwas zu starken Akzenten der Violine und des Flügels abgesehen, sehr angenehm zu hören ist.
Christoph J. Keller