Ulrich Andreas Vogt

Die Klangkathedrale

Ein persönlicher Rückblick

Rubrik: Buch
Verlag/Label: Radius
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 60

Es war die perfekte Idee für die Region: die glanzvolle Eröffnung des Konzerthauses Dortmund am 13. September 2002. Die Dortmunder Philharmoniker unter Arthur Fagen spielten Mahlers dritte Sinfonie, unterstützt von Mitgliedern des Dortmunder Opernchors und des Kinderchors der Chorakademie am Konzerthaus. „Ich wollte ganz bewusst dem internationalen Feuilleton beweisen, dass die Dortmunder mehr können, als man von einem Ruhrgebietsorchester gemeinhin erwartet“, schreibt der erste Konzerthaus-Intendant Ulrich Andreas Vogt in seinem Buch Die Klangkathedrale.
Die Aufwertung der lokalen Kultur hin zur Internationalität war Vogts Plan bei der von ihm maßgeblich angetriebenen „Philharmonie für Westfalen“. Musikalische Vielfalt spiegelte das Programm von Anfang an. Dies sollte kein verstaubter Klassiktempel, sondern ein innovatives Konzerthaus sein. Am zweiten Eröffnungsabend am 14. September 2002 trat das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Kent Nagano mit Beethovens Neunter au,f samt Liveübertragung auf 3sat. Bundestagspräsident Norbert Lammert und Ministerpräsident Wolfgang Clement waren gekommen. Es war der langersehnte Lohn für die mühevolle zehnjährige Planung und Durchführung.
Heute gehört das Konzerthaus Dortmund zu den führenden Kulturstätten in Nordrhein-Westfalen und genießt international einen guten Ruf. Von der ebenso glanzvollen wie schwierigen Anfangsphase berichtet dieses Buch. Man bekommt eine Idee davon, wie bei diesem Projekt die Visionen des Sängers, Kulturschaffenden und Unternehmers Vogt auf lokale Kulturpolitik und Landespolitik treffen. Das Konzerthaus kostete damals rund 48,3 Millionen Euro.
In den ersten Spielzeiten sollte die Internationalität mit aufwendigen Projekten gefestigt werden. Da die Auslastung der ersten Jahre jedoch nicht so ausfiel wie geplant, kam es schnell zu Verstimmungen mit den Geldgebern. Die Reibungen mit dem damaligen Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) sorgten für eine übereilte Kündigung von Vogt im Jahr 2005 – nach nur drei Spielzeiten. Bis heute sieht sich der Gründungsintendant unfair behandelt. Nach der glanzvollen Eröffnung habe seinen Ideen einfach die entsprechende Rückendeckung im Konzertalltag gefehlt, so schreibt er. Über dieses Gerangel ist detailliert nachzulesen – natürlich immer aus Vogts Perspektive. Langemeyer hält bis heute an seiner kulturpolitisch richtigen Position fest und schiebt Vogt die Schuld in die Schuhe: Dieser habe mit den Verantwortlichen in jener kritischen Phase nicht genügend und anhaltend kommuniziert.
Ja, dieses Buch ist Vogts im Titel genannte „persönliche“ Abrechnung mit einer nach 15 Jahren noch unbewältigten Vergangenheit. Aber nicht nur. Es handelt auch von den umgesetzten Visionen eines Mannes, ohne den Dortmunds Kulturleben ärmer wäre. Wenn er heute als Zuhörer das Konzerthaus besuche, fahre er „anschließend reich und beglückt“ und „sogar mit bescheidenem Stolz im Herzen“ nach Hause, schreibt Vogt daher im Epilog seines Buches.
Matthias Corvin