Wolfgang Sandner
Die glorreichen Siebzehn
Die hr-Bigband
Manche Bücher haben Gebrauchswert. Dann steht etwas Wissenswertes drin. Andere Bücher besitzen Sentimentalitätswert. Die sprechen Gefühle an. Wieder andere verfügen über Erinnerungswert, weil sie ein Ereignis dokumentieren, an dem der Leser teilgenommen hat. Außerdem gibt es noch welche, die sind entsprechend repräsentativ aufgemacht und haben einen hohen Geschenkwert.
Das Buch über die „glorreichen Siebzehn“ – gemeint sind die Mitglieder der hr-Bigband – hat von allem etwas. Der feste Umschlag, die seidige Kaschierung, das hochwertige Papier, das wohldurchdachte, unaufdringliche Layout und die Qualität der Fotos, auf denen das Bandmitglied Oliver Leicht und der Fotojournalist Helmut Fricke die Bigband-Musiker sowie einige Gastsolisten und Orchestersituationen festgehalten haben, machen es zu einem ansprechenden Fanobjekt und Give-away an Gesprächs- und Geschäftspartner des Managements, bei denen es in Erinnerung bleiben möchte.
Wolfgang Sandners Texte porträtieren zunächst die Musiker – achtzehn an der Zahl, denn auf der Position des Kontrabassisten vollzog sich ein Wechsel von Thomas Heidepriem zu Hans Glawischnig, sodass beide vorgestellt werden. Die einzelnen Artikel informieren über Biografien, Eigenheiten und musikalische Vorlieben. Ein Porträt des Chefdirigenten Jim McNeely und des Geschäftsführers Olaf Stötzler sowie eine knappe Zusammenfassung der Orchestergeschichte runden den Textteil ab.
Die auf der hinteren Umschlagseite in einer Sonderpressung beigepackte CD enthält Kompositionen von Jim McNeely. Die reguläre Handelsausgabe wurde unter dem Titel Barefoot Dances And Other Visions mit Fug und Recht für die aktuelle Runde der Grammy-Verleihung nominiert, was unterstreicht, dass aus dem ehemaligen „Tanzorchester des Hessischen Rundfunks“ eine der weltweit besten Bigbands wurde.
Seinem einstigen Mentor Bob Brookmeyer widmete McNeely Bob’s Here, indem er dessen Vorliebe für Kontraste, Stopps sowie Ausdünnungen und Verdichtungen aufgreift. Eine weitere Hommage, Redman Rides Again, überträgt das Klarinettenfaible eines der bedeutendsten Bigbandleader der 1920er Jahre, Don Redman, in die Gegenwart, und in den von einem Bild Henri Matisses inspirierten Barefoot Dances imitieren dunkle Rhythmen das Stampfen ritueller Tänzer, über denen die Bigbandtöne hüpfen. Ähnliche außermusikalische Motive liegen auch Black Snow, A Glimmer Of Hope, Falling Upwards und The Cosmic Hodge-Podge zu Grunde.
Gleichzeitig locker und präzise spielt dieses Orchester, scharf akzentuiert, mit exzellenten Solisten und in ihrer Dynamik und Klangfärbung bestens austarierten Sections. Dabei bleiben auch individuelle Charakteristika in den Tutti erhalten: eine hohe Kunst, durch eine Mischung aus Disziplin und Persönlichkeit einen homogenen Gesamtklang entstehen zu lassen.
Buch und CD bieten eine Momentaufnahme des Orchesters. Es spricht weniger die Musikwissenschaftler, dafür umso mehr die Fans und Partner der hr-Bigband an.
Werner Stiefele