Andreas Oplatka

Die ganze Welt ist ein Orchester. Der Dirigent Adam Fischer

Biografie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Zsolnay, Wien
erschienen in: das Orchester 11/2019 , Seite 60

Rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Adam Fischer widmet Andreas Oplatka dem bescheidenen Pultstar eine ungewöhnliche Biografie. Denn das Buch ist mehr als eine Lebensbeschreibung des erfolgreichen ungarischen Dirigenten. Es ist eher ein liebens- und lesenswerter Roman. Und ein politisches Lehrstück, weil es dem Autor gelingt, zwei Grundelemente in Fischers Leben konzise herauszuarbeiten: die Liebe zur Musik und die Leidenschaft für das politische Zeitgeschehen.
Dabei begann Fischers Karriere mit einer „Katastrophe“, als der in Budapest Geborene am dortigen Konservatorium keine Aufnahme fand. Sein Listenplatz bei der Eignungsprüfung reichte nicht. Also setzte Vater Sándor Fischer alles in Bewegung, den Sohn aus dem damals abgeschotteten Ostblock beim legendären Dirigierlehrer Hans Swarowsky in Wien unterzubringen – mit Erfolg.
Es folgte eine bemerkenswerte Aufstiegstour als Orchesterdirigent durch Graz, Helsinki, Karlsruhe, München, Freiburg, Kassel und Mannheim. Momentan wirkt Fischer als Erster Konzertdirigent in Düsseldorf. Dass er auf diesem Weg mit Operndirigaten nach Bayreuth, an die Wiener Staatsoper, nach Paris, an die Mailänder Scala, an den Covent Garden London sowie an die New Yorker Met gebeten wurde, spricht für seine außergewöhnliche Fähigkeiten. Sein Debut bei den Berliner Philharmonikern 2018 war entsprechend umjubelt.
In den Beschreibungen Oplatkas zu Fischers Umgang mit seinen Ensembles zieht sich wie ein roter Faden, dass die Orchestermitglieder „ihn wegen seines Umgangs mit jedem Einzelnen lieben, auch weil er beim Spiel bereit sei, Freiräume zu gewähren“. Vielleicht ein Baustein für den ungewöhnlichen Bann, der sich über viele seiner Konzerte zu legen pflegt.
Auf der anderen Seite kann sich der beim Musizieren so friedfertige Fischer zum streitlustigen Homo politicus wandeln. Biograf Oplatka, der Fischer als „linksliberal“ einstuft, berichtet von scharfzüngigen Stellungnahmen zum aktuellen Zeitgeschehen, ohne dass Fischer sich in irgendeiner Form parteipolitisch vereinnahmen lasse. Ganz sicher sind die bedrückenden Umstände während seiner Jugend im sozialistischen Ungarn hierfür ausschlaggebend, vielleicht auch seine jüdische Herkunft – wurden die Großeltern doch Opfer des Holocaust. Dennoch hat Adam Fischer sich immer wieder Werken Richard Wagners zugewandt, weil er judenfeindliche Tendenzen in Texten Wagners als historisch-symptomatisch für die damalige Zeit einordnet.
Liebevolle persönliche Schilderungen des Menschen Adam Fischer runden das Gesamtbild dieser gelungenen Biografie ab. Fischers Wunsch für die unbewohnte Insel ist die Bass-Arie „An irdische Schät­ze“ aus der Bach-Kantate BWV 26. Und er ist ehrlich genug ist, Irrtümer zuzugeben: Am Schluss lobt er Biograf Oplatka, weil dieser streng wie ein Untersuchungsrichter vorgegangen sei und Fischer sich deshalb manchmal gefühlt habewie der Graf in Mozarts Figaro: „Und das hätte ich gesagt?“
Thomas Krämer