Emmerich Kálmán

Die Faschingsfee

Camille Schnoor, Daniel Prohaska u. a., Chor und Orchester des Staats­theaters am Gärtnerplatz München, Ltg. Michael Brandstätter

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 06/2019 , Seite 71

Unter seine anderen „Adelsprädikate“ wie Csárdásfürstin und Zirkusprinzessin reiht sich Emmerich Kálmáns Operette Die Faschingsfee passgenau ein, selbst wenn eine Fee im Rang vielleicht noch etwas höher steht als eine (Tingeltangel-)Adelige. Denn die „Faschingsfee“ ist die (echte) Fürstin Alexandra Maria, von der der Maler Viktor Ronai in einer ausgelassenen bayerischen Nacht ein Porträt anfertigt. Nach verschiedenen Verwicklungen, bei der auch einige äußerst unschöne Worte fallen, kommt es natürlich doch noch zu den richtigen Herzensbindungen. Alfred Maria Willner und Rudolf Österreicher hatten die typische Hierarchie der Kálmán-Operette (er zieht sie in seinen höheren Stand hinauf) einfach umgekehrt: Hier befördert die Frau den Mann.
Staunenswert viele ungarische Töne erklingen in dieser „Münchner Maskerad’“. Das hat seinen Grund: Die Musik stammt aus Kálmáns letzter für Budapest entstandener Operette Zsuzsi kisasszony (1915) (Fräulein Susi) und wurde der neuen Story der während des Ersten Weltkriegs am Johann-Strauß-Theater in Wien uraufgeführten ­Faschingsfee 1917 einfach übergestülpt. Paris war als Schauplatz ­aufgrund der Feindschaft mit Frankreich unmöglich, also blieb als Alternative die Faschingshochburg München.
Die Einspielung entstand nach ­einer Aufführungsserie des Gärtnerplatz-Theaters, die sich durch feine Dialogarbeit und temporeiche Ballettszenen auszeichnete, und wurde in der Alten Kongresshalle München 2017 aufgezeichnet. Dem Orchester und dem Dirigat von Michael Brandstätter merkt man die Vertrautheit mit dem Stück an: Momente, in denen Kálmáns Orchestrierung auftrumpfend laut und penetrant sein könnte, gibt es hier nicht. Diktion und Konversation sind in natürlicher Verbindung. Manchmal wird es deftig, aber nie grob.
Ganz wunderbar ist die Wiederbegegnung mit Gisela Ehrensperger, über Jahrzehnte eine wichtige und prägende Ensemblesäule, als Wirtin Leopoldine Brandlmayer. Sie weiß nicht nur, wie man Operette gut singt und skandiert, sondern auch, wie es im Quartier um den Viktualienmarkt zugeht. Intendant Josef E. Köpplinger bringt etwas Schärfe in das Sujet, indem er es in die Kriegszeit versetzt. Damit gibt er dem Fasching und den Gefühls­blüten eine dringlichere Dimen­sion. Ein trefflich spezialisiertes Hauptpaar hat er: Camilla Schnoor und Daniel Prohaska wurden vom inszenierenden Chef schon immer besetzt, wenn etwas mit „K&K Österreich-Ungarn“ zu tun hatte – also Lustige Witwe, Johanna Doderers Liliom und, und, und. Beide können es, weil ihnen ehrliche Töne wichtiger sind als nur schöne Töne und ihr inniger Flirt gerade deshalb ein bisserl ans Herzerl greift. Sozusagen authentischer Konversations-Kálmán! Auch die anderen Solisten singen und spielen sauber bis souverän mit. Schön ist auch, dass sich beim Hören dieser CD überhaupt nicht die Frage nach altem oder neuem Operetten-Geist stellt, weil einfach sehr vieles stimmt.
Roland Dippel