Mendelssohn Bartholdy, Felix / Johannes Brahms / Robert Schumann

Die Erste Walpurgisnacht / Nänie / Der Königssohn

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Farao Classics B108059
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 75

Auf dieser hörenswerten Einspielung werden drei romantische Chorwerke mit Orchester vorgestellt, von denen zumindest zwei (Mendelssohn und Schumann) weit weniger bekannt sind, als sie es verdienen. Gut gewählt vor allem ist der Zeitpunkt der Aufnahme von Mendelssohns Erster Walpurgisnacht op. 60 (1843), da hiervon gerade eine vorzügliche Edition herausgekommen ist (siehe das Orchester 3/11, S. 62). Dem Werk liegt ein Gedicht von Goethe zugrunde, das kantatenartig auf verschiedene Einzelrollen und Gruppen verteilt ist und das sich kritisch im Sinne der Aufklärung mit der Rolle der christlichen Eroberer Sachsens zur Zeit Karls des Großen auseinandersetzt. Mendelssohns ausdrucksstarke, sehr differenzierte und sehr geschlossene Komposition, die teilweise an die kraftvolle Oratorik des Elias heranreicht, wird von den Ausführenden durchaus adäquat umgesetzt. Die Solisten – Simone Schröder (Alt), Burkhard Fritz
(Tenor), Detlef Roth (Bariton) und Franz-Josef Selig (Bass) – überzeugen rundum in ihren ausführlichen Solopassagen, und der gut artikulierende Chor (Einstudierung Martin Steidler) entwickelt einen hellen, klaren, expressiven Klang, wobei die Männerstimmen gelegentlich stärker und gewichtiger hätten zu hören sein können. Das Orchester spielt eine sinfonisch tragende Rolle, präsentiert sich exzellent, lässt aber dem Chor inhaltlich und sprachlich nicht immer genügend Raum, was auch an der Mischtechnik der Aufnahmeleitung liegen kann. Besser ausbalanciert ist in dieser Hinsicht die Einspielung der Nänie op. 82 (1881) von Brahms. Hier entfaltet der Chor eine reiche Farbenpalette mit abgewogenen dynamischen Stufen. Eine eindringlichere sprachliche Präzision hätte allerdings dem mythologischen und philosophischen Gehalt des Schiller’schen Gedichts eine noch stärkere Wirkung verschafft.
Ein eigenartiges und interessantes Werk ist die späte Kantate op. 116 (1851) von Schumann nach einer Ballade von Ludwig Uhland. Die Solisten (wiederum ausgezeichnet), der dramatisch intensiv geführte und plastisch erzählende Chor (hier auch die Männerstimmen, z.B. in Nr. 5) und das sinfonisch ausschwingende Orchester lassen das textlich nicht einfache Gedicht vom Königssohn, der sich heldenhaft dem Untergang im Meer entgegenstellt und vom Volk charismatisch zum Herrscher erhoben wird, voll zur Wirkung kommen.
Der Einführungstext von Habakuk Traber im Booklet leistet nicht immer, was er sollte, wobei man nicht weiß, wie viel Platz man ihm zugestanden hat. Erschöpfend und klar sind die Bemerkungen zu Nänie. Bei der Walpurgisnacht fehlt weitgehend der Blick auf die bedeutsamen musikalischen und inhaltlichen Beziehungen, die das Werk durchziehen und die John Michael Cooper in ausführlichster Weise in seiner Partitur-Edition dargelegt hat. Nicht einmal das Entstehungsjahr wird genannt. Und im Hinblick auf Schumanns Königssohn hätte der textlich gegenüber der Uhland’schen Vorlage stark veränderte Schluss (von Moritz Horn auf ausdrücklichen Wunsch Schumanns) wenigstens erwähnt werden müssen.
Peter Schnaus