Ernst Krenek

Die drei Mäntel des Anton K.

Novelle, hg. von Matthias Henke

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Edition Memoria
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 63

Krenek verarbeitete in seiner Novelle Die Drei Mäntel des Anton K. bedrückende persönliche Erfahrungen, die er 1938 in den Monaten vor seiner Emigration in die USA machte. Durch den „Anschluss“ seines Heimatlandes Österreich an das Deutsche Reich war der österreichische Pass des (von den Nazis als Galionsfigur „entarteter Musik“ diffamierten) Komponisten ungültig geworden. Dies führte zu zermürbenden Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden auf Konzertreisen in verschiedene europäische Länder.
„Verzweiflungsvolles Rasen um Dokumente“, notierte Krenek Mitte Mai 1938 in seinem Tagebuch. Seine durch die bürokratischen Schikanen hervorgerufenen Frustrationen und Ängste veranlassten ihn zur „Schreibtherapie“: der Arbeit an der Novelle. Er verfasste sie nach eigener Aussage „in Hotelzimmern in Warschau und Helsinki und auf dem schwedischen Dampfer von Göteborg nach London“. Beenden konnte er sie am 7. August 1938, knapp 14 Tage bevor ihm mit seiner Frau die Emigration in die USA gelang. Dort übersetzte er den deutschen Text ins Englische und veröffentlichte ihn 1955. Die deutsche Erstausgabe erschien 1965 im Rahmen eines Sammelbands mit Prosa, Dramen und Versen von Krenek.
Die Novelle schildert die quälenden Irrungen und Wirrungen des Protagonisten Anton K. beim Versuch, die für die Rückkehr in „seine sogenannte Wahlheimat“ nötigen Papiere zu erhalten. Dabei kommt eine Maschinerie von Ämtern, Bestimmungen, Zuständigkeiten etc. in Gang. Ihr Motor ist „eine unübersehbare Menge von Beamten aller Nationen und Rassen, alle friedlich geeint in dem ausschließlichen, unermüdlichen Bestreben, Schwierigkeiten zu schaffen.“ Die Kalamitäten verkomplizieren sich dadurch, dass Anton K.s Mantel mit wichtigen Papieren vertauscht und auch das Folgeobjekt noch einmal durch ein anderes ersetzt wird.
Die verwirrenden Abläufe erinnern an die fatale, undurchschaubare Bürokratie, die der Held Josef K. in Franz Kafkas Romanen Der Prozess und Das Schloss durchleidet. Dieser Bezug kommt auch in der Novelle selbst zur Sprache. Anders als Kafka jedoch erzählt Krenek die absurden Verwicklungen in einer oft satirisch anmutenden, tragikomischen Diktion. Sie war das ihm gemäße Medium, die Schikanen des Anton K. (das Kürzel verweist nicht nur auf Kafkas Figur, sondern auch auf Krenek selbst) zu bewältigen.
Die Neuausgabe von Kreneks Novelle ist hervorragend ausgestattet. Sie bringt sowohl den deutschen wie den englischen Text; beide Fassungen waren Krenek wichtig. Der Herausgeber Matthias Henke hat ein umfangreiches, wie die Novelle selbst fesselnd zu lesendes Vorwort beigesteuert, das sorgfältig die Entstehungsgeschichte, die biografischen Hintergründe sowie die literarischen Bezüge und Qualitäten des Werks darstellt. Diverse Abbildungen zeigen zum Teil absurd anmutende Seiten aus Kreneks Reisepass, einige von ihm verwendete Hotelbriefbögen, die erste Seite der Handschrift sowie eine Karte mit den zahlreichen Reisen des Autors zur Entstehungszeit der Novelle.
Ulrich Mahlert