Max Reger

CD 1: Die Cellosuiten / CD 2: 3 Suites for Cello Solo op. 131c

CD 1: Christian Erben (Violoncello) / CD 2: Martina Biondi (Violoncello)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin / Brilliant Classics
erschienen in: das Orchester 5/2025 , Seite 76

Ihr großes Vorbild Johann Sebastian Bach lassen die drei Suiten für Violoncello solo von Max Reger in fast jedem Satz unmissverständlich durchscheinen. Natürlich geht Reger in Formensprache, Klang und Harmonie deutlich über die barocke Referenz hinaus, doch sind es nicht nur die klassischen Satzbezeichnungen, die an Bach erinnern. Die Betonung der linearen Entwicklung und die „Beschränkung“ auf ein einziges Instrument scheinen eine besondere Wirkung zu entfalten und großartige Bach-Schwesterwerke hervorzubringen.
Christian Erbens Reger-Interpretation ist markant und selbstbewusst. Der langjährige Cellist des Gewandhausorchesters Leipzig entwirft in so manchem Satz der drei Suiten ein profundes musikalisches Statement. Und er betont mit einem sehr geradlinigen, kernigen Klang die Verwandtschaft zu Bach. Das wird vor allem in der ersten Suite deutlich, in der das einleitende Präludium kraftvoll und majestätisch seine Bedeutung unterstreicht und die finale Fuge ihre herausfordernde Technik fast schon Zentrum der Interpretation ist. Sehr viel leichter ist Christian Erbens Ansatz in der zweiten Suite, deren Tanzsätze Gavotte und Gigue eine überzeugende Beweglichkeit zeigen. Daran kann auch das Scherzo der dritten Suite in a-Moll anschließen, bevor Christian Erben im umfangreichen Variationen-Andante noch einmal die reiche Klangpalette seines Cellos in den Dienst einer sehr sauber strukturierten Interpretation stellt.
Martina Biondi entwirft einen ganz anderen Reger. Die drei Cellosolosuiten op. 131c klingen bei ihr orchestraler, farbiger und teilweise auch deutlich moderner. Die italienische Cellistin wählt in allen Sätzen zügigere Tempi und fächert die Dynamik beeindruckend weit auf. Biondis Reger schielt in Richtung Orchester und gewinnt dadurch an Tiefe und Substanz. Das Präludium der G-Dur-Suite hat einen absolut schlüssigen Drive, das Adagio singt weite und kraftvolle Kantilenen, und die Fuge lässt in ihrer virtuosen Brillanz teilweise vergessen, dass hier nur ein Instrument gespielt wird.
Martina Biondi gelingen auch die Suiten zwei und drei wie aus einem Guss. Ihre tadellose Technik erlaubt große Tiefenschärfe, die durch ihre musikantische Unmittelbarkeit für sich einnehmen. Wo Reger große Beweglichkeit fordert, da tanzt Martina Biondi mit ihrem Cello, und wo es um die dunkleren Farben der deutschen Spätromantik geht, ist sie mit feiner und absolut sauberer Linienführung zur Stelle. Martina Biondi gelingen aufnahmetechnisch brillant eingefangene Referenzinterpretationen von Max Regers oft vernachlässigten Suiten für Violoncello solo.
Daniel Knödler