Harald Lorscheider

Die Bremer Stadtmusikanten

Ein musikalisches Märchen für ­Erzähler und Bläserquintett, ­Partitur, Stimmensatz und Text

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Befoco Music
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 63

Instrumentenkunde mit den Bremer Stadtmusikanten könnte als Projekt-Thema für eine kurzweilige Unterrichtsstunde im Rahmen der musikpädagogischen Arbeit von Orchestern oder eines Bläserquintetts für den Kindergarten- oder Grundschulbesuch dienen. Das musikalische Märchen von Harald Lorscheider ist dafür maßgeschneidert: Der Aufwand für die Realisation ist relativ gering. Die Musik lässt sich in kurzer Probenzeit einstudieren, die kleinen Soli sind für Profis kein Problem und auch gute Amateu­r:innen oder fortgeschrittene Musikschüler:innen können diese bewältigen. Das Zusammenspiel funktioniert mühelos, wenn man sich über die Tempi abgesprochen hat. Die Stimmenhefte enthalten ausführliche Textausschnitte, die das gemeinsame Einsetzen bei den vielen Wechseln zwischen Erzähler:in und Musik erleichtern.
Der Komponist Harald Lorscheider aus Salzwedel lebte von 1939 bis 2005 und durchlief eine vielseitige Musikerlaufbahn. Er war Paukist in Meiningen und am Theater in Cottbus, unterrichtete Musiktheorie und war Leiter der Musikschule in Guben. Als Komponist fühlte er sich der sorbischen Musikkultur verbunden.
Für die musikalische Ausgestaltung der Bremer Stadtmusikanten hat er das Grimm’sche Märchen etwas gekürzt und situativ angepasst, um der Musik mehr Raum zu geben. Die Musik dient einerseits der Charakterisierung der Tiere durch die Wahl der Instrumente – Fagott = Esel; Horn = Hund; Klarinette = Katze; Oboe = Hahn – andererseits vermittelt sie im Tutti die Stimmung oder ergänzt das Geschehen eigenständig. Die Tonsprache ist der Tonalität verhaftet und wird durch viele Akkordbildungen mit großer Septime leicht gewürzt.
Die Form der Vertonung entspricht einem freien Melodram mit ständigem Wechsel zwischen Erzähler:in und zumeist recht kurzen Musikeinwürfen, die das Angekündigte aufgreifen. Dabei werden die Tiere mit kleinen markanten Soli präsentiert oder die Instrumente werden z. B. zum dissonanzreichen Jaulen des Hundes vereint. Eine etwas dominante Rolle spielt der Initiator der Tiergesellschaft, der zuweilen auch rhythmisch hinkende Esel, in Form der besonders ausgearbeiteten Fagottstimme. Die illustrierenden Musiken sind oft sehr kurz und könnten bei der Aufführung wiederholt werden. Etwas länger sind die dem Musizieren der Stadtmusikanten zugedachten Stücke: einem traurigen Stück mit Anklängen an einen Trauermarsch folgt ein lustiges, allzu plötzlich abbrechendes Stück, auf das eine asynchrone chaotisch wirkende neue Musik mit individuellem Tempo erklingt, ehe endlich auch die im Märchen funktionslose und unauffällige Flöte in dem abschließenden Tanz etwas von ihrem Potenzial zeigen darf.
Die Aufmachung der Partitur und besonders der Stimmhefte des jungen (Oboen-)Verlags Befoco Music ist vorbildlich. Nur die Textbeilage des Rezensionsexemplars war falsch geheftet.
Heribert Haase