Siegel, Ralph

Die Autobiographie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Langen Müller, München 2015
erschienen in: das Orchester 03/2016 , Seite 68

Zugegeben, ich war überrascht. Nach vielen Jahren Rezensionstätigkeit war es das erste Mal, dass ein Besprechungsexemplar mit einer persönlichen Widmung des Autors auf dem Redaktionstisch lag. „Für Gerald Mertens – Herzlich R. Siegel“, steht da in geschwungener Handschrift zu Beginn des Buchs. Und dafür hatte ich bei einer Autorenlesung nicht einmal in der Schlange stehen müssen. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Zumal ich Ralph Siegel nie persönlich getroffen hatte. Wie viele derartige persönliche Widmungen mag die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Verlags Langen Müller dem Autor wohl abgerungen haben? Und nach welcher Liste – soll man sagen: Beuteschema? – ging der Verlag vor? Und schließlich: Geht der Schuss nach hinten los? Lässt man das Besprechungsexemplar einfach liegen, weil man sich korrumpiert fühlt?
Ich habe es dann doch in die Hand genommen (die eiskalte Berechnung des Verlags ging auf). Ralph Siegel, der überaus erfolgreiche Schlager- und Musikproduzent, Eurovision Song Contest, Nicole mit Ein bisschen Frieden…, ist das nicht eher eine Rezension für die Regenbogenpresse? Doch fort mit spontanen Eingebungen und Vorurteilen. Lesen!
Ralph Siegel, am 30. September 1945 im kriegszerstörten München geboren, stammt aus einer Künstlerfamilie: Die Mutter war Operettensängerin, der Vater Musikproduzent (er hatte unter anderem Udo Jürgens als Komponisten entdeckt und die Capri-Fischer hinaus aufs Meer geschickt), der Großvater u.a. Generalmusikdirektor in Krefeld und Opernkomponist (Schüler von Engelbert Humperdinck). Und so sind die Kindheitserinnerungen auch geprägt von Auftritten mit dem frisch gegründeten Münchner Rundfunkorchester oder am Gärtnerplatztheater. Erleichtert denke ich: zum Glück also doch ein direkter Bezug zu das Orchester und lese interessiert weiter. Kurzweilig wird eine bunte Lebensgeschichte mit Bezügen zu aktuellen Zeitereignissen ausgebreitet. Abschluss der höheren Handelsschule, Sprachschule in England, umfassende Ausbildung in einem Musikverlag und dabei gelegentliche Tätigkeiten als Barpianist in Paris bilden die breit aufgestellte Basis für den späteren Einstieg in das Musikproduktionsgeschäft, die ihren Ausgang im väterlichen Betrieb nimmt.
Siegel beschreibt in seiner Autobiografie nicht nur seine Beziehungen zu Produzenten, Musikverlagen, Schallplattenfirmen, Rundfunk- und Fernsehredakteuren, zahlreichen Künstlern sowie persönliche, familiäre Krisen und Krebs-Operation, sondern auch vielfältige Hintergründe des Musikproduktions- und Showgeschäfts und die Arbeit von Agenten und Verwertungsgesellschaften. Die Produktion neuer Songs, der Aufbau von Bands und Künstlern, das Bestücken internationaler Musik- und Schlagerwettbewerbe, all das erfährt man quasi nebenbei aus erster Hand. Insgesamt ein lesenswertes Buch, das einen ebenso intim wie kompetent geschriebenen Einblick in über sechzig Jahre erfolgreiche Musikproduktion liefert.
Gerald Mertens