Christian Jost
Der Zaubergarten
Concertino für Violine und Kammerorchester, Klavierauszug mit Solostimme von Olga Kroupova und Miroslav Kroupa
Es gibt eigentlich kaum noch Raum, in dem der Mensch eine geheimnisvolle Zuflucht finden kann. Wir müssen eben weitergehen. Für jede menschliche Regung haben wir eine Assoziation, bereits ein Bild geschaffen, und ich glaube, dass es die Aufgabe der Kunst sein muss, hier den entscheidenden Schritt weiterzugehen. So beschreibt Christian Jost, 1963 in Trier geboren, in den 1980er Jahren in Köln und San Francisco als Komponist und Dirigent ausgebildet und momentan in Berlin beheimatet, sein Anliegen, und er fragt: Wie schaffen wir es, wieder Bilder zu erwecken, Mythen zu kreieren, die diesen Bereich der geheimnisvollen Zukunft eröffnen? Immer sei er auf der Suche nach dem magischen Moment und erreiche dies durch ein komplexes, differenziertes Verhältnis aus Struktur, Form und Klang.
Josts stattliches uvre umfasst mittlerweile zahlreiche Bühnenwerke, Orchesterkompositionen und Solokonzerte, oftmals Auftragskompositionen namhafter Orchester oder bedeutender Festivals. Nach dem Violinkonzert TiefenRausch (1997) und Mozarts 13097. Tag, einer Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester (2005), ist das nun im Klavierauszug erschienene Concertino Der Zaubergarten für Violine und Kammerorchester aus dem Jahr 2011 bereits das dritte konzertante Werk, in dem Jost der Geige die Solo-Rolle anvertraut.
Die vier Sätze ,erwacht verzaubert bedroht entschwunden, deren jeweilige atmosphärische Struktur von der Solo-Violine charakterisiert wird (darin ähnlich den vivaldinischen Vier Jahreszeiten), durchlaufen unterschiedliche Stadien der Idiome ,Alte Musik, um sie durch das Prisma unserer Zeit unverbraucht und ,magisch erscheinen zu lassen. So kann sich der Konzertmeister oder ein Gastsolist auf die Pfade des Zaubergartens begeben, sie lenken oder sich dahintreibend in das Geschehen einfügen.
Hinter dieser etwas blumigen Charakterisierung im Vorwort der Notenausgabe verbirgt sich ein typischer Jost. Das alles hat große atmosphärische Dichte, deklamatorische Kraft. Da ist diese sensible, sofort ansprechende Klangsinnlichkeit, die wir aus seinen anderen Stücken auch kennen (etwa Rumor Images), das Auskosten motivischer Affekte, die zyklische Anlage, also die Metamorphose tragender, in allen ver Teilen wiederkehrender Motive, wie etwa des kleinen Trillers, mit dem die Solo-Geige das Werk über einem verklingenden Clusterakkord des Orchesters im Pianissimo beschließt. Alles in allem ist dieser Zaubergarten eine ausdrucksstarke und klangästhetisch ungemein ansprechende, dabei feine und poetische Musik. Offen verstörende oder gar provozierende Elemente wird man darin nicht finden, auch sogenannte neue Spieltechniken sind ausgespart.
Das 18 Minuten lange Werk ist ausdrücklich mit modernem oder barockem Instrumentarium aufführbar, der Solopart dankbar, aber nicht sonderlich schwer zu spielen. Den Klavierauszug haben Olga Kroupova und Miroslav Kroupa gewohnt sorgfältig und kompetent erstellt.
Herwig Zack