Franck, César
Der wilde Jäger/Symphonie d-Moll
An Einspielungen von César Francks Symphonie herrscht wahrlich kein Mangel, und selbst die Symphonische Dichtung Le chasseur maudit, zu Lebzeiten des Komponisten wesentlich erfolgreicher als die Symphonie, ist inzwischen in zahlreichen Aufnahmen greifbar. So müssen sich Neuproduktionen durch besondere Qualitäten hervortun, zumal wenn sie, wie im vorliegenden Fall, von einem renommierten, aber überregional doch wenig bekannten Klangkörper wie dem Staatsorchester Braunschweig mit seinem noch jungen Generalmusikdirektor Jonas Alber (geb. 1969) stammen. Das Staatsorchester Braunschweig, das seine Ursprünge bis auf die 1587 gegründete Braunschweiger Hofkapelle zurückführen kann, hat bereits unter dem Vorgänger Albers begonnen, Produktionen für Tonträger einzuspielen. Ein bewährtes Mittel, um Aufmerksamkeit auf dem Markt zu erheischen, insbesondere wenn solche Aufnahmen bei kleinen Labels erscheinen, ist es, Liveaufnahmen anzubieten, was auch hier getan wurde. Beide Franck-Einspielungen gehörten zum Programm der regelmäßigen Sinfoniekonzerte des Orchesters und wurden an zwei Terminen im Oktober 2003 absolviert.
Ein solches Verfahren birgt natürlich Risiken, die sich aber insgesamt gesehen gelohnt haben. Denn die klangliche Präsenz und Lebendigkeit machen kleinere Makel wie gelegentlich fehlende rhythmische Präzision durchaus wett. Auffallend sind die relativ langsamen Tempi für die Symphonie (im Vergleich etwa mit der Toscanini-Aufnahme von 1940/46 braucht Alber mit 41 Minuten 43 Sekunden nahezu vier Minuten mehr). Dabei nimmt Alber allerdings die originalen Tempobezeichnungen, sprich: die non troppo-Zusätze in den Allegro-Ecksätzen, die häufig negiert werden, ernst. Dadurch verliert der Spannungsaufbau im Kopfsatz zwar etwas an Überzeugungskraft, das Finale gewinnt aber entschieden. Denn hier neigen viele Dirigenten zur Überhetzung auf Kosten der Details, die Alber mit seinem Orchester geradezu mustergültig herausarbeitet. Insbesondere bei den zahlreichen kontrapunktischen Überlagerungen der Themen und Motive wahren diese in allen drei Sätzen ihre Konturen und der zyklische Formaufbau Francks wird unmittelbar anschaulich.
Le chasseur maudit, nach der berühmten Ballade Der wilde Jäger von Gottfried August Bürger, gehört zu den Symphonischen Dichtungen, die ihrer literarischen Vorlage recht genau folgen. Die Geschichte vom Jäger, der sich auch am Sonntag nicht von seinem Jagdvergnügen abhalten lässt und weder Gott, Natur noch Tier achtet und schließlich zur Strafe ewig umherirren muss, bietet einem Musiker denn auch genügend Stoff zur musikalischen Umsetzung. Wald und Jagd, Kirchenglocken oder Verkündigung des Fluchs (mit Posaunen) sind äußerst dankbare Elemente zur Vertonung, die sich Franck denn auch nicht hat entgehen lassen. Alber gestaltet die Dramatik der Partitur souverän, wobei namentlich die Leistungen der Hornisten die bei dieser Jagdszenerie natürlich besonders häufig solistisch tätig sind Anerkennung verdienen. Lediglich die dynamische Abstufung lässt in einigen Passagen wie bei den starken Kontrasten im Poco meno vivo zu wünschen übrig. Fazit: eine insgesamt durchaus empfehlenswerte Aufnahme.
Peter Jost