Werner, David

Der Weg zum guten Oboenrohr

Maschinen, Methoden, Messwerte und ihre Auswirkungen auf das Oboenrohr

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Aulos, Dessau-Roßlau 2014
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 68

Oboisten sind Exoten im Orchester. Kaum ein Streicher oder ein Blechbläser ist sich bewusst, dass auf dem Platz neben der Flöte nicht nur ein exzellenter Musikerkollege sitzt, sondern er auch handwerklich überaus geschickt ist. Die Rede ist vom Oboenrohr, welches er in der Regel selbst fabriziert. Ein Spieler ist so gut wie sein Töne erzeugendes Doppelrohrblatt – deren ganze Existenz hängt an diesem kleinen empfindlichen und sensiblen Mundstück. Darum sind Oboisten selbst auch besonders empfindlich, was ihr Rohr angeht, denn sie sehen sich mit sehr vielen Problemen und Unwägbarkeiten des Rohrbaus konfrontiert – er ist eine Wissenschaft für sich. Außerdem gilt es, das fertige, fragile Rohr dann auch äußerst pfleglich zu behandeln.
Jetzt brachte der ostdeutsche Verlag Aulos – schon der oboistische Name bürgt für Qualität – ein Büchlein heraus, das den Weg zu einem guten Oboenrohr aufzeigt: ein Muss für jeden angehenden und fertigen Oboisten. Die üblichen Rohrbauanleitungen waren für den vormaligen Studenten David Werner stets „ein guter Wegbereiter und sind oft jetzt noch Nachschlagewerke für bestimmte Maße. Doch diese halfen für bestimmte Probleme nur bedingt, da sie wenig Korrekturmaßnahmen oder Abweichungen [enthielten]“. Der Autor wollte von dem gängigen Weg abweichen, also keine Anleitung zum Rohrbau schreiben, sondern „Erfahrungen und Unterschiede zum Rohrbau“ bündeln und zeigen, „welche Auswirkungen diese auf das fertige Oboenrohr haben“.
Tatsächlich verschafft er dem Leser in elf Kapiteln minutiös nach einem anschaulichen, bebilderten Überblick eine tiefe Einsicht in die Anforderungen und Geheimnisse des komplizierten Rohrbaus: von der Art und Beschaffenheit des Holzes, dessen Härte und Dichte oder der Wahl der Hülse. Weiter stellt er die einzelnen Maschinen vor, die dafür notwendig sind, die Fassons mit den einzelnen Messwerten und nicht zuletzt die zahlreichen Varianten des Rohrbaus selbst. Dabei bespricht er die Arten des Aufbindens, nennt die genaue Rohrlänge, die exakten Maße der Hülse und deren Materialien sowie die einzelnen Hersteller.
Das zentrale Kapitel widmet sich dem Schaben. Das Oboenrohr befindet sich nach dem Aufbinden im Rohzustand und erhält durch das Schaben mit einem scharfen Messer seine individuelle Note. Werner beschreibt genau, was passiert, wenn an den Seiten, im Herz (der Mitte des Rohres) oder vorne an der Ansprache zu viel oder zu wenig geschabt wird. Außerdem ist das Rohr nach dem „Krähtest“ noch nicht gelungen, sondern es muss nachgearbeitet werden. Manche sogar fortwährend. Es soll ja lange halten und stets von hoher Qualität sein.
Zum Ende hin geht Werner in einer Checkliste auf Probleme ein: Was tun, wenn das Rohr schlecht anspricht, zu tief, zu hoch, zu weich oder zu hart ist? Ein Anhang listet tabellarisch Maße verschiedener Fassons, Schablonen und Hülsenmaße auf. Links und Kontaktadressen runden das bemerkenswerte Buch über das Oboenrohr ab, das zur Pflichtlektüre werden sollte.
Werner Bodendorff