Antje Rößler
Der Traum vom Alleskönner-Orchester
Der 19. Deutsche Orchestertag in Berlin sucht nach neuen Wegen
Die Pinguine sind wieder da: Zwei gemalte Königspinguine, standesgemäß im „Frack“, bilden das Logo des Deutschen Orchestertags. Rund 200 Teilnehmer – Intendanten, Manager und Musiker – trafen sich Anfang Mai zum 19. Deutschen Orchestertag in Berlin. Wegen der Pandemie wurde die zweitägige Veranstaltung, die sonst alljährlich im November stattfindet, um ein halbes Jahr verschoben.
Ernst und besorgt klingt das Motto des diesjährigen Orchestertags: „Zurück in die Zukunft – Das neue Normal!“ Es zeugt von grundlegenden Problemen, vor denen unsere Orchester stehen. So scheint es eine Art kulturelles Long Covid zu geben. Mehrere Teilnehmer:innen erzählten, dass all das Umdisponieren in den vergangenen zweieinhalb Jahren viele Musiker:innen und auch das Personal hinter den Kulissen an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatte.
Beim vorherigen Orchestertag, der Anfang 2021 per Zoom über die Bühne ging, widmete man sich unter dem Motto „Das grüne Orchester“ dem Klimaschutz. Dagegen nimmt sich das neue Motto „Zurück in die Zukunft“ eher vage und allumfassend aus. Auf der Tagung ging es thematisch sehr vielfältig zu; weshalb im Programm kein roter Faden zu erkennen war.
Ums große Ganze drehte sich die Podiumsdiskussion des ersten Tags, die unter der Überschrift „Zeichen einer Zeitenwende – Orchester (üb)erleben in 2030“ stand. Die fünfköpfige Runde um den moderierenden Journalisten Axel Brüggemann arbeitete sich an zentralen Fragen ab: Was für eine Orchesterlandschaft wünschen wir uns in zehn Jahren? Wie kommen wir dorthin? Und, ganz wichtig: Wie kann die Klassik Teil der Lebenswelt junger Menschen werden? Da wirkte es durchaus putzig, dass hier ausschließlich nicht mehr ganz junge „weiße Männer“ die Zukunftsfähigkeit unserer Orchester ausloteten. Brüggemann führte mehrfach seine 22-jährige Tochter als Kronzeugin der jungen Generation an.
Kulturelle Allesfresser
Beethovenfest-Intendant Steven Walter, auch schon Mitte Dreißig, gab den Vertreter der Jungen vor Ort. Er nannte die Jüngeren „kulturelle Allesfresser“, was er aber durchaus liebevoll meinte. Soll heißen: Mozart konkurriert mit Schlager und Hip-Hop. Vorkenntnisse oder Bildungsvoraussetzungen dürfe man den jungen Menschen nicht abverlangen, so Walter. Die Frage, ob das nicht auf eine Trivialisierung der Musik, auf Kapitulation vor dürftigem Musikunterricht hinauslaufe, wurde leider nicht erörtert…
Lesen Sie weiter in Ausgabe 7–8/2022.