Richard Wagner

Der Ring des Nibelungen

Duisburger Philharmoniker, Ensemble der Deutschen Oper am Rhein und Gastsolisten, Ltg. Axel Kober

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Cavi-music
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 70

Nicht in Bayreuth, sondern am Rhein, dem Original-Schauplatz, wollte Richard Wagner seinen Ring des Nibelungen 1851 aus der Taufe heben. Ein Vierteljahrhundert, bevor er mit seinem Gesellschaftspanorama das, laut Thomas Mann, deutsche Gegenstück zu den französischen Romanzyklen Die menschliche Komödie von Honoré de Balzac und Émile Zolas Rougon-Macquart auf der Opernbühne vollendete.
Der damit beschworene Reflex dramatischer Umbrüche des 19. Jahrhunderts prägte zusammen mit Heinrich Heines ironischen Brechungen die jüngste rheinische Ring-Inszenierung. Im Düsseldorfer Stammhaus der Deutschen Oper am Rhein hat sie Regie-Altmeister Dietrich Hilsdorf 2017/18 als Märchen aus alten Zeiten im Konflikt von Göttern, Zwergen, Riesen und Recken im Menschenformat herausgebracht.
Ein verheerender Wasserschaden vereitelte 2019 die Übernahme ins Duisburger Opernhaus, was sich als Glücksfall erwies. Der Erfolg der konzertanten Aufführung des Rheingold-Vorabends und der folgenden drei Abende mit Walküre, Siegfried und Götterdämmerung in der ausgezeichneten Akustik der Duisburger Mercatorhalle führte im Mai und November 2019 zu einem Mitschnitt des gesamten Zyklus, der nun komplett vorliegt. Ihn zeichnet die Spannung einer technisch geglückten Live-Einspielung ohne die artifizielle Atmosphäre einer Studioaufnahme aus.
Als Wagner-Orchester mit Schliff beweisen die Duisburger Philharmoniker ungeahnte Qualitäten. Vor allem die kultivierten Blechbläser können ihre Klasse ausspielen. Am überzeugendsten sind Generalmusikdirektor Axel Kober Rheingold und Walküre gelungen. Die nahtlose Sequenz hochdramatischer Szenen um Raub, Betrug, Inzest, Verrat und Mord lässt nicht nur Strafrechtler die Ohren spitzen. Kober versteht sich auf Wagners Kunst des Über-gangs. Wonnige Glut und leuchtenden Wagner-Glanz malt er nicht mit grobem Pinsel. Mit detailgenauer Feinzeichnung und vorbildlicher Partiturtreue entfacht er unter Verzicht auf Pathos Binnenspannung von innen heraus.
Bemerkenswert ist die kantable Besetzung. Manche Partie ist darüber allzu leicht gewichtet. Statt des allzu lyrischen Hünen Corby Welch hätte man sich als Siegfried eher den als Siegmund prächtigen Heldentenor Michael Weinius gewünscht. Der Prachtbariton James Rutherford passt als prägnanter Wotan ebenso ins kantable Konzept wie Jochen Schmeckenbechers vortrefflich artikulierender Alberich oder Raymond Verys quirliger Loge. Cornel Frey ist der beste Mime seit Helmut Pampuch, denn er räumt sämtliche Klischees dieser Juden-Karikatur durch differenzierte Charakterisierung ab. Sami Luttinen singt mit schwarzem Bass einen respektablen Hagen. Auch Łukasz Koniecznys Fafner und Hunding haben Format. Unter den Damen gebührt der noch in gleißenden Spitzentönen berückenden Brünnhilde Linda Watsons die Palme. Katarzyna Kuncio beweist Strahlkraft als Fricka. Als Sieglinde wie als Waltraute zählt Sarah Ferede zu den Leichtgewichten dieser Einspielung.
Bernd Aulich