Wagner, Richard
Der Ring der Nibelungen
Nationaltheater Mannheim, Ltg. Dan Ettinger, Inszenierung, Bühne, Kostüme, Lichtkonzept: Achim Freyer
Als künstlerische Differenzen eine Trennung von Regisseur Christof Nel unausweichlich machten und innerhalb von Halbjahresfrist ein Nachfolger gefunden werden musste, war es ein cleverer Schachzug der Intendantin Regula Gerber, bei Achim Freyer anzufragen. Das künstlerische Multitalent hatte das Werk bereits 2010 für die Los Angeles Opera durchdacht und in einer international viel beachteten, regional eher mäßig geliebten Produktion auf die Bühne gebracht.
In Deutschland, für das Freyer seinen inhaltlichen Inszenierungsansatz trotz aller gegenteiliger Behauptungen eben doch nicht grundsätzlich neu gefunden hat und auch seinem Inszenierungsstil selbstverständlich treu geblieben ist, funktioniert seine Bild- und Assoziationssprache erheblich besser. Die theatralische Schulung des Publikums hierzulande ist eben doch eine andere als in den Staaten. Der Verzicht auf psychologisierende Erzählformen, lineare Zeitabläufe und vertraute Zeichencodes kann schwere Kost sein, selbst wenn die eigentümliche Romantik und Schönheit der Freyerschen Bühnen eine emotionale Offenheit und intellektuelle Bereitschaft des Sich-Einlassens beim Zuschauer durchaus unmittelbar zu erzeugen in der Lage ist.
In rätselhaften, fantasieüberbordenden Kostümen agieren auch im Mannheimer Ring Freyersche Archetypen, allein durch die maskenbildnerische Gestaltung von ihrer Existenz als Mensch auf eine höhere Form der Repräsentation gehoben. Die Figuren kreisen im großen kahlen Bühnenraum auf der Drehbühne, jede für sich ein eigener Gesten- und Mimikkosmos, fast wie Gestirne in einem unendlichen Zeit-Raum-Kontinuum. Freyers Grundidee, die Zeiten des Rings in eins zu packen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig zu zeigen, tut dem Stück ungeheuer gut. Freyer macht die Bühne zur Ikone, vor der der Zuschauer quasi meditierend sich selbst reflektieren kann, getragen und gelenkt dabei von Wagners Musik.
Der emotional-atmosphärische Grundzugang, die kaleidoskopartig unzusammenhängenden, aber doch immer wieder sich zu klaren Sinnknotenpunkten verdichtenden intellektuellen Aussagen dieses Rings machen ihn zu einem der großen und wichtigen. Der nun auf DVD erschienene Live-Mitschnitt gibt als technisch und filmerisch gelungene Arbeit einen beredten Eindruck davon. Freyers Weltentwurf bleibt die dominierende Qualität dieser Theaterproduktion, auch gegenüber ihrer sängerisch-musikalischen Seite, geleitet von Dan Ettinger, GMD des Nationaltheaters Mannheim. Mit ruhig fließenden Tempi arbeitet er Freyers Großtableau zwar zu, schafft es dabei bis auf vereinzelte Momente aber nicht, stärkeres eigenes Profil zu gewinnen, was ihm mit dem bestens disponierten Nationaltheaterorchester durchaus hätte leicht fallen können.
Auch sängerisch bleibt die Produktion auf eher gutem bis solidem Niveau, hätte man sich etwa eine bessere Brünnhilde als Judith Németh und einen stimmfrischeren Siegmund als Endrik Wottrich gewünscht. Erfreulicher waren da schon Thomas Jesatko als Wotan und Jürgen Müller als Siegfried sowie in kleineren Rollen das beachtlich gute Ensemble des Nationaltheaters Mannheim.
Ulrich Ruhnke


