Romberg, Andreas

Der Messias

Kantate in drei Teilen, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Florian Noetzel, Wilhelmshaven 2004
erschienen in: das Orchester 11/2005 , Seite 86

Vermutlich werden die meisten Menschen eher den Textdichter dieses Werks kennen als den Komponisten: Friedrich Gottlieb Klopstocks Vers-Epos Messias liegt der Komposition zugrunde, eingerichtet von keinem geringeren als Johann Friedrich Reichardt. Dass Andreas Romberg (1767-1821) sich von diesem Text angesprochen fühlte, ist nach einem Blick in die Partitur leicht nachzuvollziehen. Rombergs Kantate in drei Teilen (die im Umfang eher an ein ausgewachsenes Oratorium gemahnt) lebt vor allem in der Ausdruckswelt der Empfindsamkeit, aber auch des Sturm und Drang, sodass Klopstocks affekthafte, bilderreiche Sprache sich ihm zur Vertonung geradezu aufgedrängt haben dürfte.
Das Werk, das zur Aufführung in der Passionszeit gedacht war, aber weder zu Rombergs Lebzeiten noch von der Nachwelt große Schätzung erfuhr, ist für Sopran, Tenor und Bass, zwei Tenöre (oder Soprane), Bariton, Chor und Orchester geschrieben. Es arbeitet viel mit naturalistischen Tonmalereien, die sich – anders als beispielsweise bei Haydn – häufiger auf emotionale Zustände der handelnden Personen als auf Geschehnisse im Text beziehen. So bleibt der Komponist durchgängig sehr eng am Ausdrucksgehalt der Sprache, beweist dabei manche recht originelle harmonische Idee, benutzt ungewöhnliche, teils schon auf die Romantik verweisende Modulationen, vereinzelt aber auch barocke Tonartensymbolik. Textgemäß finden sich natürlich Passagen von großer Dramatik im Stil des Sturm und Drang, wo Romberg mit scharfen dynamischen Gegensätzen, großen Steigerungen und emphatischer Rhythmik arbeitet.
Formal fällt auf, dass zwar eine Aufteilung der drei Teile in Chöre, Duette, Arien und (streicherbegleitete) Rezitative stattfindet, die Nummern aber auch oft ohne Pause ineinander übergehen. Die Chöre sind homofon gehalten – polyfone Passagen gibt es nur in Eingangs- und Schlusschor – und von hymnischem Charakter als Chor der Himmel, der Engel…; dabei wird der Chor jedoch vergleichsweise selten eingesetzt. Rombergs Orchesterbehandlung fußt hauptsächlich auf den Streichern, die sozusagen den Rahmen bilden, in den die Holz- und Blechbläser dann die besonders zu betonenden Affekte malen. So gibt es hier viele spannende, mitreißende und auch originelle Stellen zu entdecken, doch finden sich auch Längen und Wiederholungen, etwas spröde Textbehandlungen und vorhersehbare Wendungen.
Die Ausgabe verdankt sich den Bemühungen der Arbeitsstelle Andreas Romberg der Hochschule Vechta, die seit einigen Jahren daran arbeitet, das gesamte Werk des Komponisten zu sichten und zu publizieren. Herausgegeben wurde dieser Band 6 der Romberg’schen Chorwerke von Karlheinz Höfer und Klaus G. Werner. Die Verarbeitung des Bandes ist sehr gut und die Partitur lässt sich erfreulich gut blättern und offenhalten. Das Druckbild ist übersichtlich, ausreichend scharf und hält selbst emphatischem Radieren stand; sehr löblich ist auch, dass die Instrumente in
jedem System noch einmal bezeichnet sind.
Andrea Braun