Rådström, Niklas

Der Librettist

Roman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Osburg, Berlin 2011
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 71

Sein abenteuerliches Leben ist wahrlich der Darstellung in einem Roman wert, so verschlungen und vielfältig sind seine Lebenswege gewesen, so spannend, ja fantastisch ist das, was er tat und was ihm widerfuhr. Doch jeder, der den Roman seines Lebens schreiben wollte und will, kommt eigentlich zu spät, denn Lorenzo Da Ponte hatte es bereits selbst unternommen in einer umfangreichen, vierbändigen Autobiografie, von sich und den Erlebnissen seiner 89 Erdenjahre Zeugnis abzulegen.
Der 1749 in Venetien Geborene, der eigentlich Emmanuele Conegliano hieß und Sohn eines jüdischen Gerbers und Lederhändlers war, verdankt seinen bleibenden Ruhm bekanntermaßen jenen drei Textbüchern, die er in den 1780er Jahren für Wolfgang Amadé Mozart schrieb (Le Nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte) und die gerne als „Da-Ponte-Opern“ bezeichnet werden. Den Namen, der ihn berühmt machte, erhielt er übrigens von jenem Bischof seiner Heimatstadt Ceneda, der ihn adoptierte. Da Ponte folgte ihm in den geistlichen Stand, doch wegen Liebeshändel musste er seine Heimat verlassen. Er kam nach Wien, wo er eben als Librettist zu Ansehen kam. In Mozarts Todesjahr musste er Intrigen wegen die Kaiserstadt verlassen und landete schließlich in London, wo seines Bleibens auch nicht dauerhaft war. Auf der Flucht vor Gläubigern erreichte er nach einer abenteuerlichen Seereise die Neue Welt, wo er über 30 Jahre lebte und 1838 in New York starb. Er war sieben Jahre älter als Mozart und überlebte diesen um 47 Jahre.
Niklas Rådströms Roman beginnt am Ende des Lebens seines Helden Lorenzo Da Ponte. Dieser berichtet als ausgesprochen nachdenklicher und selbstreflexiver Ich-Erzähler sein Leben von hinten nach vorne, was dem Autor die Gelegenheit gibt, allerhand Querverweise herzustellen und viele Verknüpfungen zwischen den einzelnen Stationen dieser ereignisreichen Vita herzustellen. Rådström erweist sich dabei als ausgesprochen kenntnisreicher Chronist, der über seinen Helden und dessen Zeit sehr viel weiß und das auch ausführlich und detailreich zum Ausdruck bringt. Der Roman ist denn auch immer wieder ein packendes Zeitbild, das dem Leser viel vom Leben in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten des 19. Jahrhunderts vermittelt.
Klar, dass die Begegnungen Da Pontes mit Giacomo Casanova und vor allem mit Mozart, den der Ich-Erzähler des Buchs als Italiener sinnigerweise Amadeo nennt – Amadeo oder Amadé nannte sich ja auch Mozart selbst, nur niemals Amadeus –, wesentliche Momente des Buchs sind. Mozart wird schon im ersten Satz erwähnt – im Zusammenhang mit dem Tod, der ein wichtiges Leitmotiv des Romans darstellt.
Niklas Rådström hat mit Der Librettist ein dank seiner Thematik und Materialfülle nicht nur für Musiker und Musikfreunde sehr interessantes Buch geschrieben. Ein Buch mit einer eigenen Note und eigenen Gedanken des 1953 geborenen schwedischen Schriftstellers, sodass es eben doch etwas ganz anderes ist als eine Paraphrase von Da Pontes eigener Autobiografie.
Karl Georg Berg