Lauer, Enrik / Regine Müller

Der kleine Wagnerianer

Zehn Lektionen für Anfänger und Fortgeschrittene

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C.H. Beck, München 2013
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 64

Lieben Sie Wagner? Meiden Sie Wagner? Wollen Sie wissen, wie Sie eine Wagner-Oper (vier Stunden aufwärts) unbeschadet überstehen? Dann dürften Sie, so die Autoren dieses Buchs, mit selbigem gut bedient sein.
Rein praktisch handelt es sich dabei um eine Art Rundumschlag, eine Sammlung von biografischen Fakten, Werkführer und Kurzanthologien. Neben biografischen Abschnitten finden sich also u.a. launig formulierte und recht ausführliche Inhaltsangaben der Wagner’schen Werke vom Lohengrin aufwärts sowie ein wenig geistesgeschichtlicher Hintergrund zu jedem Werk und seiner Entstehung. Daneben und darin werden aber eben auch mit diesem Komponisten traditionell verbundene Aspekte und Klischees wie sein (Miss-)Verhältnis zum Geld, seine ambivalenten Beziehungen zu Förderern, sein Antisemitismus oder die in seinem Werk eingebauten philosophisch-psychologischen Konstrukte thematisiert.
Als durchgehende Biografie mit etwas Hintergrund lässt sich das Buch somit nicht lesen – doch Biografien dieser Art sind wahrlich bereits genug auf dem Markt. Aber das kundige Pausengespräch für den Opernbesuch ist nach der Lektüre auch nur einzelner Kapitel gesichert: Stichworte wie Todessehnsucht, Luxus, Schwäne, Psychoanalyse, Antisemitismus in Bayreuth, Hitlers Lieblingskomponist oder Erlösung ziehen immer in den geweihten Hallen der Wagner-Interpretation – und die Autoren fassen hier jeweils kurz und knackig zusammen, worum sich die Diskussion unter Wagnerianern dreht. Auch Hinweise auf weiterführende Literatur zu den einzelnen Themen fehlen nicht. Zu guter Letzt gibt es für die ganz Unerfahrenen auch noch ein Unterkapitel über die aktuellen Kleiderordnungen in diversen Wagner-Tempeln und schließlich eine Auswahldiskografie.
Das Ganze ist flüssig und amüsant zu lesen und erlaubt dank des ausführlichen Inhaltsverzeichnisses auch eine selektive Lektüre zur Vorbereitung eines kurzfristigen Opernbesuchs – oder des Gesprächs mit einem bestimmten Gesprächspartner, vom Theologen über den Psychologen bis zum Juristen. Schade ist allerdings, dass man auf ein Register verzichtet hat, das die kurzfristige Einarbeitung in ein Werk noch erleichtert hätte.
Die Gliederung der Kapitel – manche thematisieren ein Werk, andere einen Lebensabschnitt oder ein sonstiges Thema – wirkt ein wenig willkürlich und scheint im Endeffekt in den Interessen oder Schwerpunktsetzungen der Autoren begründet, doch bietet sie reichlich Abwechslung. So empfiehlt sich dieses Buch tatsächlich für den mutigen Wagner-Anfänger wie für den fortgeschrittenen Wagnerianer, der darin sicher noch die eine oder andere Information vor allem aus dem geisteswissenschaftlichen Umfeld des Komponisten entdecken kann, die das nächste Pausengespräch auf ungeahnt hohes Niveau führen wird. Nur der wahre Wagner-Meister wird es vielleicht mit Mime halten: „Müßges Wissen wahren manche: ich weiß mir gerade genug; mir genügt mein Witz, ich will nicht mehr: dir Weisem weis ich den Weg!“
Andrea Braun