Viktor Ullmann

Der Kaiser von Atlantis

Juliana Zara (Sopran), Christel ­Loetzsch (Mezzosopran), Johannes Chum (Tenor), Adrian Eröd ­(Bariton), Lars Woldt (Bass), Tareq Nazmi (Bass), Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Patrick Hahn

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 68

Seit dem Jahr 2009 erscheinen bei dem Label BR Klassik in loser Reihenfolge Live-Aufnahmen der BR-Ensembles. Jetzt ist in dieser Reihe Viktor Ullmanns Oper Der Kaiser von Atlantis in einer Einspielung des Münchner Rundfunkorchesters erschienen. Hier handelt es sich um ein beachtliches Werk, das der jüdische Tonsetzer während seiner Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt komponierte. Dem Komponisten war es indes nicht vergönnt, sein Werk auf der Bühne zu erleben. Er wurde zusammen mit seinem Librettisten Peter Kein nach Auschwitz transportiert und dort von den Nazis ­ermordet. Vor seinem Abtransport konnte er das Manuskript seiner Oper noch einem Freund übergeben, der den Krieg überlebte und das Werk rettete.
Der Kaiser von Atlantis ist als Parabel auf das unmenschliche Nazi-System zu verstehen. Bezüge zu dieser Zeit sind im Text der Oper durchaus vorhanden. So beispielsweise die Uhrzeit „Fünf Uhr zweiunddreißig“. Hier ist leicht eine Anspielung des deutschen Überfalls auf Polen zu erkennen. Es gibt in dem Werk eine Vielzahl literarischer Bezüge, so beispielsweise das Stück Die weiße Krankheit, das der Tscheche Karel ˇCapek im Jahre 1937 als Mahnung gegen den aufkommenden Faschismus verfasste.
Aber auch die Musik ist beachtlicher Natur. Sie ist stark der erweiterten Tonalität verhaftet und weist eine Reihe von Leitmotiven auf. Die drei Tanz-Intermezzi sowie der Tod als zentrale Person des Stücks gemahnen an die mittelalterlichen Totentänze. Das zentrale, gleich zu Beginn ertönende und aus Tritoni bestehende Fanfaren-Motiv erinnert stark an das Motiv des Todesengels aus der Symphonie Asrael des tschechischen Komponisten ­Josef Suk. Ullmann hat eine vielschichtige, abwechslungsreiche Musik geschrieben. Collageartig reihen sich Melodram, Rezitativ, Arie, ­Duett, Terzett, Jazz und Tanzmusik der 1920er Jahre aneinander. Ferner wartet er mit Verweisen auf Komponisten auf, die im Nationalsozialismus verboten waren, wie etwa Gustav Mahler. Ullmanns Musik ist bei Patrick Hahn in guten Händen. Mit lockerer Hand animiert er das gut gelaunte Münchner Rundfunkorchester zu einem prägnanten, akzentuierten Spiel.
Bei den gesanglichen Leistungen halten sich Positiva und Negative die Waage. Am besten gefällt Tareq Nazmi, der dem Tod mit wunderbarer italienischer Technik und sonorem Bassklang ein eindringliches Profil verleiht. Sein Stimmfachkollege Lars Woldt überzeugt in der Rolle des Lautsprechers mit eindringlichem Gesang und markanter Diktion. Adrian Eröd gibt mit tadellos fokussiertem, wohlklingendem hellem Bariton den Kaiser. Einen flachen, überhaupt nicht solide im Körper verankerten Tenor bringt Johannes Chum in die Partien des Harlekin und des Soldaten ein. Dünn klingt die Bubikopf der Sopranistin Juliana Zara. Nicht gefällig ist Christel Loetzsch, von deren Trommler man sich mehr sinnliche Rundung ihres Mezzosoprans gewünscht hätte.
Ludwig Steinbach