Werke von Reger, Mahler und Zemlinsky

Der Einsiedler

Christoph Prégardien (Bariton), Camerata Vocale Freiburg, Kammerorchester Basel, Ltg. Winfried Toll

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Solo Musica
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 73

Nicht immer gelingt es so überzeugend, Bekanntes mit Unbekanntem für ein Konzert oder eine CD zusammenzustellen, wie es bei der vorliegenden Neuerscheinung der Fall ist. Mahlers Rückert-Lieder gehören sowohl
in der Klavier- wie in der Orchesterfassung zum Standardliedrepertoire im Übergang von Spätromantik zur frühen Moderne. Zu Unrecht wenig gespielt (bzw. gesungen) werden dagegen die beiden Chorstücke op. 144 von Max Reger (Requiem und Der Einsiedler, der dieser CD ihren Titel gab) sowie der 23. Psalm von Alexander von Zemlinsky, mit denen die Mahler-Lieder programmatisch passend ergänzt wurden. Regers Werke waren der Anlass für das diesem Livemitschnitt zugrunde liegende Konzert im Reger-Jahr 2016, für das Winfried Toll vom Verband Deutscher Konzertchöre die Auszeichnung für das beste Programm „In Memoriam Max Reger“ erhielt.
Allerdings gibt es ein Aber, das je nach Sichtweise der Hörenden entweder als Pluspunkt oder als Manko empfunden werden kann: Alle hier eingespielten Werke sind nämlich nicht in ihrer Originalgestalt, sondern in einer Bearbeitung für reduziertes Instrumentalensemble eingespielt. Im Fall von Zemlinskys Werk griff man zur Fassung von Erwin Stein, der als Bearbeiter im Schönberg-Zirkel noch heute einen Namen hat. Die übrigen Werke wurden von Gerd Müller-Hornbach arrangiert.
Nichtsdestoweniger sind alle Bearbeitungen gut gelungen, kommen den kammermusikalisch filigranen Aspekten der Partituren entgegen und vermögen in ihrer Durchsichtigkeit manche Details und harmonische Schärfe besser zu Gehör zu bringen, als es mit großen Orchestern in der Regel der Fall ist. Das Kammerorchesters Basel macht seine Sache dabei ganz ausgezeichnet. Durch die Bearbeitungen nähern sich die Werke in klanglicher Hinsicht einander an – auch dies mag als Manko oder Pluspunkt gewertet werden – und bringen die modernen Züge deutlich zutage, die in den Kompositionen enthalten sind.
Ob man nun die Bearbeitungen gutheißt oder nicht: Nicht nur die drei Chorwerke sichern der CD einen hohen Repertoirewert, sondern auch die Interpretation der Mahler’schen Lieder (und der Soli bei Reger) durch Christoph Prégardien, der mit seiner weichen und warm timbrierten Stimme eine intime Deutung mit hoher Textverständlichkeit zu verbinden weiß, gleichwohl auch kraftvolleren Passagen in Um Mitternacht nichts schuldig bleibt.
Die Camerata Vocale Freiburg besticht durch ihre klangintensiven Darstellungen, eine breit angelegte und differenzierte Dynamik sowie ein schönes Legato. Winfried Toll sind mit seinem Vokal- und Instrumentalensemble intensive und emotionale Deutungen gelungen.
Für alle Freunde der Vokalmusik aus dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts ist diese Neuerscheinung, die auf drei zu Unrecht vernachlässigte Chorwerke hinweist, ein Muss.
Christian Ubber