Johann Mattheson

Der brauchbare Virtuoso

Zwölf Sonaten für Traversflöte und Basso continuo, Vol. 2: Sonatas IV-VI/Vol. 3: VII-IX, hg. von Roland Steinfeld, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2020
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 76

1717 komponierte der gebürtige Hamburger Johann Mattheson die 12 Sonaten für Violine/Traversflöte und Basso continuo unter dem Titel der Sammlung Der brauchbare Virtuoso. 300 Jahre später hat nun der Christoph Dohr Verlag in Zusammenarbeit mit Roland Steinfeld als Herausgeber eine Urtextausgabe der Sonaten in modernem Notenbild herausgegeben. Die 12 Sonaten teilen sich in vier praktische Einzelbände mit je drei Sonaten auf. Zusätzlich kann der interessierte Leser einen Begleitband zum Leben und Wirken Matthesons mit einem Faksimile seines Essays samt einer Übertragung in modernes Deutsch erwerben.
Band 2 und 3 der Neuausgabe beinhalten die Sonaten IV bis IX mit Partitur und Einzelstimmen Traversflöte/Violine und Basso continuo. Im deutsch-englischen Vorwort informiert Steinfeld über Leben und Wirken des Allrounders Mattheson, der nicht nur Komponist und Musiker, sondern u. a. auch Diplomat, Übersetzer und Schriftsteller war. Steinfelds Recherchearbeit zu den Sonaten basiert auf der Originalausgabe von 1720, die damals von Mattheson selbst Korrektur gelesen wurde, wie eine dem Originaldruck beiliegende Fehlerliste zeigt. Aus diesem Grund gab es nur wenige Stellen, die laut Steinfeld korrigiert werden mussten. Zusätzliche Ergänzungen wie Triller, Akzidentien oder Generalbassbezifferungen wurden im Notentext durch Klammern kenntlich gemacht. Wie im Anhang der Partitur zu erfahren ist, erfolgte die Aussetzung des Generalbasses als „praktischer Vorschlag“ mit dem Ziel, damit auch eher unerfahrenen Generalbassspielern die Ausführung zu erleichtern. Zugleich erweitert dieser Service mit Sicherheit auch den Kreis der Zielgruppe.
Aus musikalischer Sicht betrachtet stellen diese 6 Sonaten eine erfrischende Erweiterung des Repertoires aus dem 18. Jahrhundert dar. Jede der meist viersätzigen Sonaten bildet für sich eine reizvolle klangliche Einheit: Den melodiösen, langsamen Einleitungssätzen folgen spannungsgeladene, schnelle zweite Sätze, die mit ihren Sechzehntelläufen und Oktavsprüngen durchaus Ansprüche an die technische Versiertheit der Flötisten und Geiger stellen. In den langsameren dritten Sätzen entlädt sich die Spannung in weiten Melodiebögen, bevor ein eher tänzerischer Schlusssatz beschwingt die Sonate abrundet. Basso continuo und Melodieinstrument dialogisieren dabei auf anregende und mitunter gleichberechtigte Weise. Um dem Charakter der Stücke gerecht zu werden, ist jedoch in jedem Fall neben dem technischen Können auch Gespür für die Ausführung und Interpretation notwendig. Eine intensive Beschäftigung mit der Aufführungspraxis des 18. Jahrhunderts sollte daher immer vorausgehen.
Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass es sich hier um eine sehr empfehlenswerte Urtextausgabe handelt. Die akribisch fundierten und umfassenden Forschungen durch Roland Steinfeld schenken nicht nur den 12 Sonaten, sondern auch dem Hamburger Komponisten Johann Mattheson neue Bedeutung, der diese „Wiederbelebung“ ohne Zweifel mehr als verdient.
Gabriele Hirte