Henkjan Honing
Der Affe schlägt den Takt
Musikalität bei Tier und Mensch. Eine Spurensuche
Ideengeber für das Buch des Kognitionswissenschaftlers Henkjan Honing war die These von Charles Darwin einer gemeinsamen biologischen Grundlage der Musikalität bei Tier und Mensch. Vorgestellt werden in diesem Buch eine Reihe von Forschungsarbeiten, eigene und solche von Kollegen, die das Taktgefühl untersuchten, Letzteres verstanden als eine elementare Bedingung der Musikalität. Das methodische Vorgehen sah Messungen elektrischer Potenziale des Gehirns vor oder Mitbewegungen. Honing hatte mittels EEG 2009 nachgewiesen, dass schon wenige Tage alte Babys eine Reaktion bei einem zu erwartenden, aber ausgelassen akzentuierten Schlag zeigen.
Für Honings im engeren Sinn auf Evolutionsprozesse fixierte Forschung über Tiere war es naheliegend, Experimente mit Affen durchzuführen. Unglücklicherweise wurden bei den Untersuchungen eines Rhesusaffen dem Leser zunächst falsche Ergebnisse präsentiert, ehe zwei Seiten später berichtet wird, dass der Affe teilweise taub war. Weitere Versuche legten nahe, dass die musikalische Metrik im engeren Sinn von Rhesusaffen nicht erkannt wird.
Unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, scheinen metrisch-rhythmisch wenig talentiert zu sein. Honing wandte sich daher der Theorie des vokalen Lernens von Tieren mit einer lautbildenden Stimme zu, die einen variierenden Rhythmus hören und besser mitvollziehen können. Damit rücken Vögel, Wale und Delfine in der Hierarchie der Evolution der Musikalität auf eine höhere Stufe. Snowball, ein zu Musik tanzender Kakadu, übrigens heute noch im Internet, war schon berühmt und auch seine Bewegungen untersucht. Anpassungen an ein langsameres Tempo vollzog er mühelos, bei schnellem Tempo passte er sich nur an wenige Beispiele an. Balanceprobleme? Auch blieb er immer nur zeitweise im Takt − wie es aufgrund des Videos scheint − an ausgeprägt rhythmischen Stellen. Verhält er sich, wie es Orchestermusiker ohne einen dirigierenden Taktgeber tun würden? Die Hypothese des vokalen Lernens wurde für Honing weitgehend entkräftet durch einen Seelöwen, der sich exakt zu einem Rhythmus bewegen konnte.
Honings Buch ist weitschweifig. So gehören die Berichte über das Bettelverhalten von Seemöwenkücken, die auf künstliche Schnäbel reagieren, nicht in seinen Kontext. Sie sind ein Erlebnisdetail wie Beschreibungen von Busfahrten zu Forschungslabors oder von Seminarräumen, die nach frischer Farbe rochen. Im Nachwort schildert er eine erlebte Gehirnerschütterung nach einem Fahrradunfall, die seine Teilnahme an einem Workshop verhinderte usw. Er wollte, wie
er explizit bemerkte, kein wissenschaftliches Buch schreiben, sondern einen persönlichen Bericht, der durch genaue Datierung von Begegnungen, Reisen usw. an ein Tagebuch erinnert. Allerdings müsste man dazu mehr schriftstellerische Fähigkeiten haben. Die Literaturangaben in den Anmerkungen zu den referierten Forschungen könnten jedoch interessierte Laien anregen, im Internet deren Zusammenfassungen zu lesen. Sie sind meist allgemeinverständlich.
Helga de la Motte-Haber