Werke von Walton, Telemann, Rodrigo und anderen

Delicatessen

Harmonic Brass München

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Brass Works Munich HBQ CD 34
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 79

Seit 1991 ist das Quintett Harmonic Brass München eine feste Größe im Blechbläsergeschäft. Nachdem in diesem Jahr bereits die CD In Concert mit einem facettenreichen Programm auf den Markt gekommen ist, punktet Delicatessen nicht weniger bunt: Das Büffet des Dargebotenen reicht von Telemann über Mozart bis Mulo Francel und Udo Jürgens. Cross-over scheint derzeit angesagt – da reicht am Ende ein witziges Motto, um zumindest auf den ersten Blick alles unter einen Hut zu bringen.
Die Idee, diesen Tonträger zu produzieren, wurde bei einem Restaurantbesuch in New York geboren. Die fünf Blechbläser schätzen sich glücklich, wenn ihnen auf Tourneen das Essen schmeckt und möchten mit dieser musikalischen Zusammenstellung ihre Freude am Essen ausdrücken. So finden sich im Book­let auch keine Hintergrundinformationen zu den eingespielten Werken, dem Ensemble oder den einzelnen Musikern. Jeder Musiker stellt stattdessen ein Kochrezept vor, welches beim Hören der CD nachgekocht werden kann – so die Empfehlung im Vorwort.
Während das Tempo der Champagnerarie aus Mozarts Don Giovanni mich in wahre Slowfood-Stimmung versetzt, grüble ich noch, ob ich es zunächst mit Schottischer Graupensuppe, Steak mit Bohnen oder doch gleich dem Schokoladenkuchen „Big Fat Chocolate Cake“ versuchen soll. Ein bekanntes Gericht anders als gewohnt zu kochen, kann durchaus spannend sein. Auch mit musikalischer Stilistik halten es manche Musiker gerne ungewöhnlich, und so erfreue ich mich letztlich doch an dem völlig neuen Charme der etwas burlesk wirkenden Champagnerarie.
Ein wenig mehr Pfeffer in Ausdruck und Tempo hätten für meinen Geschmack auch „Der Hölle Rache“ aus der Zauberflöte sowie die Auszüge aus Hänsel und Gretel vertragen können. Dafür begeistert mich die Musizierfreude in Telemanns Ouvertüre aus der Tafelmusik (Arrangement: Hans Zellner) und dem Adagio aus Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo (Arrangment: Elisabeth Fessler) umso mehr. Auch das Stück mit dem Titel “Eintopf” von Hans Zellner hat es in sich: Hinter den Titeln „Feuer“, „Wasser“, „Gemüse“, „Fleisch“ und „Gewürz“ verbergen sich  Arrangements aus Händels Feuerwerksmusik, der Bossa nova Agua de beber, Zellners Komposition Viktualienmarkt, die Titelmelodie aus Bonanza und der traditionelle Mexican Hat Dance.
Der isländische Jazzmusiker Eythor Gunnarsson (*1961) mit seiner Funk-Fusion-Band „Mezzoforte“ ist hierzulande eher weniger bekannt. Doch wie bei einem guten Essen kann Unbekanntes durchaus schmackhaft sein, denn sein einziger Charterfolg Garden Party ist auch für Blechbläser ein netter Einfall.
Während die ersten Takte von Udo Jürgens’ 17 Jahr, blondes Haar bravourös geschmettert werden, köchelt meine Schottische Graupensuppe gemächlich vor sich hin, und beim spritzig gespielten Mit 66 Jahren komme ich dann langsam in Champagnerlaune. Ein sicherlich ungewöhnliches, aber feines Menü, bei dem einige Dinge durchaus das Potenzial haben, ein Klassiker zu werden!
Kristin Thielemann