Brandenburg, Daniel / Rainer Franke / Anno Mungen (Hg.)
Das Wagner-Lexikon
Das Wagner-(Verdi-)Jahr 2013 warf schon im Vorjahr seine Schatten voraus und machte sich für das Jubiläum fein. Rechtzeitig dazu erschien das Wagner-Lexikon, das in beinahe 550 Artikeln “Wesentliches und Neues zum Thema Wagner” enthält, das ferner weniger beachtete Personen und Sachthemen berücksichtigt und das versucht, die ganze Bandbreite der vielschichtigen Persönlichkeit und deren Schaffen lexikalisch abzudecken. Insbesondere das schwierige Thema des Antisemitismus, den Wagner im Pamphlet Das Judentum in der Musik ausbreitete, wird kritisch und offen behandelt, Wagner aber auch in Schutz genommen. Obwohl von der Forschung “im Sinne des Nationalismus als exterminatorisch gedeutet”, nimmt es jedoch “den vermeintlich postulierten Genozid durchaus nicht vorweg”, sondern verweise im Gegenteil symbolisch auf eine utopische Gesellschaftsordnung. “Weder in den Libretti noch in den Partituren ließen sich gegen das Judentum gerichtete Figurenzeichnungen nachweisen.” Wagners persönliche Vorbehalte seien kategorisch davon zu unterscheiden.
Weiterhin finden zum einen gedankenstarke Wagner-Gegner wie Theodor W. Adorno, der “das Musikdrama zu stark vor dem Hintergrund der absoluten Musik” beurteilte, oder der anfangs freundlich zugewandte Friedrich Nietzsche besondere Würdigung mit eigenen Stichworten. Insbesondere Adornos Schrift Der Fall Wagner “entfaltet ihre Stoßkraft eben deshalb, weil sie vollkommen Zutreffendes enthält”. Es sei die “einzige kritische zeitgenössische Quelle über Wagner, die sich aus einer genauen Einsicht in dessen Person und Werk speist”.
Auf der anderen Seite enthält das Buch reichhaltige Informationen über Einflüsse literarischer (Shakespeare, Goethe), philosophischer (Schopenhauer) oder musikalischer Art (Beethoven, von Weber, Rossini, Meyerbeer) sowie über die zahlreichen Weggefährten, Anhänger (Bruckner, von Bülow), vor allem die Frauen “die Galerie von Wagners Geliebten ist umfangreich” , die er als “Musik des Lebens” bezeichnete. Selbstverständlich fehlen seine einzelnen Schriften und sämtliche Opern ebensowenig wie die jeweils darin handelnden Personen sowie werkimmanente Artikel wie diejenigen zu den Stichworten Ästhetik, Harmonik, Instrumentation, Leitmotiv, Kompositionsprozess und Tonmalerei.
Überaus bemerkenswert sind die Beiträge über die Wagner-Rezeption, die Gesellschaften und Vereine und die bis heute anhaltende Wirkung seiner Musik. Sie reicht, angefangen bei Wagner-Zeitgenossen, bis hin zum jungen Debussy und Schönberg, Pfitzner, Skrjabin und Hugo Wolf, bis in die Filmmusik, in die darstellenden Kunst, Karikatur und Kabarett (Loriot).
Einen breiten Raum im Lexikon nehmen die Orte ein, an denen er sich aufhielt, seine Ansichten, Aufzeichnungen sowie seine bis heute wirkende, weitverzweigte Familie und Nachkommen. Ein etwas unübersichtlicher Wagner-Stammbaum beschließt nach einem Werkverzeichnis und einer Chronik das in der Tat umfangreiche und spannend zu lesende, mit zahlreichen Bildern aufgelockerte Lexikon.
Werner Bodendorff