Schumann, Robert
Das Paradies und die Peri
Sally Matthews/Kate Royal (Sopran), Bernarda Fink (Alt), Mark Padmore/ Andrew Staples (Tenor), Florian Boesch (Bass), London Symphony Orchestra, Ltg. Simon Rattle
Für Simon Rattle ist Robert Schumanns Musik das Bindeglied zwischen beruflicher Gegenwart und Zukunft: 2018 zieht er sich als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker zurück, ein Jahr zuvor nimmt er sein Amt als Maestro des London Symphony Orchestra auf. Den vier Sinfonien Schumanns war kürzlich eine exquisite CD-Edition mit den Berlinern gewidmet, nun hat Rattle Schumanns Oratorium Das Paradies und die Peri aufgenommen mit dem London Symphony Orchestra, seinem Chor und einer kleinen Heerschar von Solisten. Beide Aufnahmen sind im eigenen Label des jeweiligen Orchesters erschienen. Bereits 2009 hatte er das Stück auch in Berlin aufgeführt, die Aufzeichnung ist in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker verfügbar.
Das 1843 (zwischen Mendelssohns Paulus und Elias) uraufgeführte Werk ist ebenso unbekannt wie kurios und zugleich genial. Es ist zu dramatisch und mit zu viel Handlung für ein Oratorium versehen, jedoch deutlich zu episch für eine Oper. Hinzu kommt Schumanns lyrischer Ton und seine Vorliebe für orientalische Sujets, die uns heute befremden.
In diesem Fall steht die Peri im Mittelpunkt, das Kind eines gefallenen Engels und einer Sterblichen. Sie versucht Zutritt zum Paradies zu erlangen, von dem sie aufgrund ihrer unreinen Herkunft ausgeschlossen wurde. Ihre ersten beiden Opfergaben der letzte Blutstropfen eines tapferen, jungen Freiheitskämpfers gegen einen Tyrannen und der letzte Seufzer einer in den Armen ihres von der Pest dahingerafften Geliebten sterbenden Jungfrau werden vom himmlischen Wächter, einem Engel, nicht anerkannt. Erst mit den Tränen eines reuigen Verbrechers beim Anblick eines betenden Knaben, der ihn an die Unschuld der eigenen Kindheit erinnert, erreicht die Peri schließlich ihr Ziel.
Obwohl Das Paradies und die Peri im Konzertsaal nur sehr selten zu hören ist (und auf der Opernbühne noch rarer), gibt es von dem Oratorium etliche Einspielungen. Das ist symptomatisch für ein Werk, dessen Musik von unglaublicher Qualität ist, aber eine für uns eher befremdliche Geschichte erzählt, die in der deutschen Geschichte auch für Kriegszwecke instrumentalisiert wurde und auf das Orient-Epos Lalla Rookh (1817) von Thomas Moore zurückgeht. Der Text stammt von Emil Flechsig.
Der Hauptreiz des Werks besteht vielleicht in seiner Vielseitigkeit, die (wenige) hochdramatische Passagen ebenso einschließt wie große stimmungsvolle Tableaus, sinfonische Passagen und oratorische Aspekte, die durchaus auch an Mendelssohn erinnern. Exorbitant ist der melodische Reichtum. In ihrer Güte steht die Aufnahme von Simon Rattle mit seinem Londoner Ensemble Seite an Seite etwa mit der Einspielung von John Eliot Gardiner, der auf historischen Instrumenten freilich luftiger und transparenter spielen lässt, während Rattle mehr dem gerade für Schumann typischen Mischklang nachgeht ein lyrisches Klangbild. Exzellent agiert der Chor. Ein besonderes Plus der Aufnahme sind zwei Extra-CDs mit einer Blu-Ray-Fassung.
Johannes Killyen