Mahler, Gustav

Das Lied von der Erde

arr. for Chamber Ensemble (Schönberg/Riehn), Gerhild Romberger (Mezzosopran), Stephan Rügamer (Tenor), Detmolder Kammerorchester, Ltg. Alfredo Perl

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm MDG 901 1845-6
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 77

Als Arnold Schönberg 1920 begann, Mahlers Lied von der Erde für Kammerensemble zu bearbeiten, um es in seinem „Verein für musikalische Privataufführungen“ in Wien aufführen zu lassen, ahnte er nichts von dem Nachleben seiner Idee nach über 60 Jahren. Schönbergs Intention war es, Mahlers sogenannte letzte Sinfonie durch die kleine Instrumentalbesetzung populärer zu machen. Dies übernahm schon wenig später der technische Fortschritt in Form der Schallplatte.
So dauerte es, bis Rainer Riehn, Musikwissenschaftlern bekannt als Mitherausgeber der Buchreihe Musik-Konzepte, 1983 Schönbergs Bearbeitung, die bereits im ersten Satz abbricht, vollendete und sie mit seinem Ensemble Musica Negativa uraufführte. Durch die instrumentale Verschlankung bei klarer Beibehaltung, ja nahezu Verschärfung der polyfonen Struktur und der Beifügung von Klavier und Celesta ist durch Riehns Bearbeitung quasi ein neues Werk entstanden, das bis heute regelmäßig auf Tonträger eingespielt wird.
So wählten nun Detmolder Studenten unter dem Klavierprofessor und Leiter des Detmolder Kammerorchesters, Alfredo Perl, dieses Werk, um ihr Können zu zeigen. Das Detmolder Kammerorchester begeht mit dieser Einspielung indirekt seinen 60. Geburtstag. Es rekurriert sich aus Studenten und jungen Absolventen, weist aber in künstlerischer Hinsicht deutlich über seine Funktion als Sprungbrett für junge Instrumentalisten und seine musikpädagogischen Aufgaben an der Hochschule hinaus. Da Detmold eine Stadt der kleinen Wege ist, fand sich schnell im Label MDG ein verlässlicher Produzent.
Alfredo Perl meistert sehr schön den Spagat zwischen den verschiedenen Arbeitsschichten des Mahler’schen Werks. Man kann in Perls Interpretation sehr viel Mahler hören, aber auch Schönbergs und besonders Riehns Modernisierungsgesten: Die Mahler’sche Orchesterwucht geht in filigranere Strukturen auf, die bei den Musikern Erfahrungen mit Neuer Musik voraussetzen. Mit einer gewissen Leichtigkeit und Eleganz widmen sich die Studenten dem mächtigen sechssätzigen Werk mit den komplexen Jugendstiltexten aus Hans Bethges Chinesischer Flöte.
Die Sopranistin Gerhild Romberger und der Tenor Stephan Rügamer übernehmen den Gesangspart, den Alfredo Perl mal stärker, mal schwächer in den Instrumentalklang integriert. So wirkt die Sopranstimme, wie bei Mahler schon angelegt, im 6. Satz als 16. Instrument, während etwa der Lied-Charakter des 3. Satzes, der Chinoiserie „Von der Jugend“, sehr deutlich herausgestellt wird. Stephan Rügamer mit großer Opernerfahrung kann insbesondere den ersten Satz „Das Trinklied vom Jammer der Erde“ mit existenzieller Intensität füllen. Detmolds oratorien-erprobter Gesangsprofessorin Gerhild Romberger gelingt etwa im vierten Satz „Von der Jugend“ eine sehr schöne Plastizität der Szenerie.
Katharina Hofmann