Erich Wolfgang Korngold

Das Lied der Liebe

Cusch Jung, Lilli Wünscher, Adam Sanchez, Andreas Rainer, Laura Scherwitzl, Mirjam Neururer, Hinrich Horn, Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig, Ltg. Stefan Klingele

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Rondeau ROP61667
erschienen in: das Orchester 07-08/2019 , Seite 67

Sind Erich Wolfgang Korngolds Operetten-Bearbeitungen Verhunzungen oder Veredelungen? Von Johann Strauß’ Witwe Adele hatte Korngold die Genehmigung zur Bearbeitung der am Ende von Spaniens Goldenem Zeitalter spielenden Operette Das Spitzentuch der Königin erhalten und diese für die Uraufführung am Berliner Met­ropoltheater 1931 mit Richard Tauber auffrisiert. Neben Entdeckungen wie Prinzessin Nofretete und Die große Sünderin folgte an der Musikalischen Komödie Leipzig auf Das Lied der Liebe 2019 mit Rosen aus Florida bereits die zweite Korngold-Entdeckung.

Diese Einspielung kombiniert zwischen den musikalischen Szenen Texte von Chefregisseur Cusch Jung und originale Dialoge. Korngold, der das von Ludwig Herzer mit neuer Handlung und neuen Versen bestückte Libretto in eine brillante Instrumentation hüllte, beließ es allerdings nicht bei Anleihen aus dem Spitzentuch. Die zentrale Tenor-Partie möbelte er gleich zu Beginn mit einem Solo nach den Geschichten aus dem Wienerwald auf. Überhaupt geht es mit viel Schmelz und einer Messerspitze Ironie zur Sache in diesem Verwechslungsstück über Komplikationen bei einer Heirat, inklusive kurzen Verstimmungen und fröhlichem Happy End.

Etwas Bodenständigkeit schadet dem Orchester nicht, dessen Satz Korngold mit Harfe und fetzigen Bläserakzenten anreicherte. Operette wird hier Konkurrenz zur Traumfabrik des frühen Tonfilms und verliert dabei an satirischer Leichtigkeit. Gewonnen wird im Gegenzug eine Kultur unschematischer Temporückungen und unkonventioneller Akzente der Klangproportionen, die dieses Genre umso interessanter machen.

Kundige Sänger und Orchester müssen sich also nur die richtigen Bälle zuwerfen beim Maßhalten zwischen großer Geste und rein musikalisch nur schwer zu vermittelnder Ironie. Da hilft sensibler Instinkt mehr als sichtbar ausgespielte Intelligenz. An der Spitze des sehr sicher agierenden Ensembles der MuKo steht ein Hauptpaar, das den Mut zu genretypischen Gestaltungsmitteln hat und trotzdem nicht anachronistisch wirkt. Lilli Wünscher ist eine figürlich und vokal gertenschlanke Diva, die zirzensische Höhenschärfen in sirenenhafte Lockrufe verwandelt und ganz wunderbare Wechsel zwischen Ariosi und Melodramen gestaltet. Adam Sanchez vermag auf der CD erst recht zu vermitteln, dass er zwar die Damen auf der Bühne anspielt, aber immer seine Hörerinnen meint. Ein Tenor, dem die Selbstinszenierung leicht fällt und der nie vergisst, dass seine beträchtlichen vokalen Potenzen nur eines der ihm verschwenderisch zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel sind.

Laura Scherwitzl als Stubenmädchen Tini und Mirjam Neururer als Primaballerina Lori zeigen Stil und mit diesem, dass die Wurzeln des Spiels vom „Schneeprinzesschen“ in dem Titel des auch hier wiederverwerteten Walzers Wiener Blut stecken.

Roland Dippel