Mahler, Gustav
Das klagende Lied
Erstfassung in drei Sätzen (1880) für Soli, Chor, großes Orchester und Fernorchester, vorgelegt von Reinhold Kubik
Gustav Mahlers Opus 1 ist einerseits kaum im Bewusstsein der Musikwelt wie auch, wenn seine riesenhafte Kantate Das klagende Lied in der Erstfassung in drei Sätzen von 1880 erst 1997 als praktische Erstausgabe mit Partitur, Chor- und Orchestermaterial herauskam und dann am 7. Oktober von Kent Nagano in Manchester uraufgeführt wurde?
Andererseits gab es allerdings vor dieser Erstveröffentlichung schon längst Ausgaben, eine davon zu Mahlers Lebzeiten, und zwar eine Partitur von 1899 mit Aufführungsmaterial, das ein Jahr später erschien. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um die von Mahler 1893 revidierte Fassung in zwei Sätzen ohne den Kopfsatz Das Waldmärchen. Erst 1934 wurde ein handschriftliches Aufführungsmaterial mit einem Klavierauszug dieses 604 Takte umfassenden Waldmärchens angefertigt. Die Partitur folgte später. Der Musikforscher Rudolf Stephan legte 1978 sogar im Rahmen
der Kritischen Mahler Ausgabe im Band 12 das Klagende Lied vor, es fehlte jedoch bislang die Erstfassung.
Zwar wurde 1999, also zwei Jahre nach der praktischen Erstausgabe dieser Erstfassung von 1880, die wissenschaftliche Ausgabe veröffentlicht, doch seit diesem ersten Versuch sind bei einer Reihe von mehreren Aufführungen Fehler und zweifelhafte Stellen gefunden worden. Mittlerweile habe sich aber seit dem ersten Erscheinen 1997/99 in technischer, inhaltlicher und mengenmäßiger Hinsicht ein Quantensprung in der Mahlerforschung ereignet. Der damalige Herausgeber Reinhold Kubik habe außerdem in dieser Zeit, so ist im Vorwort zur zweiten, verbesserten Auflage nachzulesen, in seiner aktiven oder beratenden Funktion als Herausgeber und Editionsleiter viel gelernt und hatte sich wegen der Unrichtigkeiten dazu entschlossen, Noten- und Textteil von Das klagende Lied gründlich zu revidieren (S. IX). Fragen und die zahlreichen wertvollen Hinweise der kritischen Arbeit von Alexis Hauser am Dirigentenpult in Montreal und von Robert Threllfall am Schreibtisch in London seien mit in die neue Bearbeitung eingeflossen.
Und so bedurfte es seitdem nochmals zwölf weiterer Jahre, bis 2011 zufällig oder auch nicht im 100. Todesjahr des Komponisten die gründlich revidierte Fassung erneut im Gesamtkontext der Neuen Kritischen Gesamtausgabe veröffentlicht wurde. Im Band 4 des Supplements befindet sich nun die verbesserte Auflage der Erstfassung in drei Sätzen des erst 20-jährigen Gustav Mahler. Es hat außer dem üblichen, gut lesbaren Notentext ein ausführliches und den Sachverhalt erhellendes Vorwort. Im siebzehnseitigen Kritischen Bericht sind Quellen und Ausgaben in chronologischer Reihung, die Genese der Musikdrucke und die Textquellen zu der Ausgabe festgehalten, welche von Andreas Michalek zusammengetragen worden sind. Für die musikalischen Quellen zeichnete dagegen Herausgeber Kubik verantwortlich, ebenso für die Edition und die einzelnen Aufführungshinweise, Besetzung und Instrumentation bis hin zu den Einzelanmerkungen.
Werner Bodendorff