Hofe, Gerhard vom

Das Genie Wolfgang Amadé Mozart

in literarischen Bildern romantischer Tradition der Kunstreligion und Musikästhetik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Engelsdorfer, Leipzig 2014
erschienen in: das Orchester 07-08/2015 , Seite 64

Hier schreibt ein Musikliebhaber, der sich gründlich mit seinem Sujet beschäftigt hat. Er tritt mit dem Bescheidenheitsgestus auf, indem er aus seiner Verehrung für Wolfgang Amadé keinen Hehl macht. Gerhard vom Hofe, bis zu seiner Emeritierung Akademischer Direktor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte am Germanistischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, fand jetzt die Muße, sein einmal begonnenes Projekt, das dem Genieproblem bei Mozart im Spiegel der Literatur (hauptsächlich der des 19. Säkulums) gilt, zu vollenden. Resultat ist eine gehaltreiche Publikation, die dem Komponisten, dessen Einzigartigkeit der Autor in der romantischen Tradition der Kunstreligion und Musikästhetik betrachtet, tief empfundene Reverenz erweist. Vom Hofe scheint (fast) alles gelesen zu haben, was je über das Musikgenie publiziert wurde, sei es von E.T.A. Hoffmann, Mörike oder Hildesheimer.
Der Autor gliederte seine Darstellung in fünf Kapitel, rückt eingangs das „Wunderkind“ und das unbegreifliche Genie in der Optik der Mozarts sowie deren Zeitgenossen in den Fokus und stellt dazu grundsätzliche Überlegungen zur Genieproblematik an. Er resümiert die historisch verbürgten Lebensumstände und Arbeitsbedingungen des Komponisten und erwähnt dabei aber auch die innovativen Wege, die von Biografien und Werkgeschichten beschritten werden. Er lobt die vorbildlichen Editionen der Kompositionen und thematisiert die anhaltende Suche nach dem „wahren“ Mozart. Gerhard vom Hofe, der sich spürbar in sein Sujet hineingekniet hat, konfrontiert den göttlichen mit dem menschlichen Amadeus und würdigt dabei auch die literarisch bestimmten Mozart-Bilder, die sich vor dem Horizont des romantischen Kunst- und Geniebegriffs herauskristallisierten. E.T.A. Hoffmanns enthusiastisches Fantasiestück Don Juan setzt er z.B. in Beziehung zur Mozart-Oper Don Giovanni im Licht romantischer Musikästhetik. Er zitiert Anekdoten und Legenden, geht auf das Verhältnis Mozarts zu dessen Vater, zu Salieri oder zum „Bäsle“ ein und skizziert die unterschiedlichen Mozart-Bilder im Laufe der Zeiten. Der Leser spürt, dass der „Götterliebling“, als der Mozart bis in die 1970er Jahre hinein gesehen wurde, dem Germanisten eine Herzensangelegenheit ist, denn mit Herzblut ist seine Darstellung geschrieben. Der Autor liefert viele Zitate und lebensgeschichtlich relevante Briefzeugnisse (auch zur romantischen Verklärung des Komponisten, die aber erst nach dessen Tod einsetzte) und nennt dazu zahlreiche Gewährsleute.
Gerhard vom Hofe verschweigt auch nicht das „Ärgernis aller Mozart-Liebhaber“, den häufig kindischen Habitus des Tonsetzers, bei dem so manche Widersprüche zwischen Vita und Werk bestanden, lässt aber nie Zweifel an Mozarts Einzigartigkeit aufkommen, von der auch Goethe überzeugt war. Auch Peter Shaffers einst überaus erfolgreiches Theaterstück Amadeus von 1979 findet Erwähnung. Summa summarum: Gerhard vom Hofe, stets den Geniegedanken im Blick, gelang mit seiner sehr persönlich gehaltenen Darstellung eine kompakt-detailreiche und lesenswerte Studie, die den Blick ausgehend von Mozarts Musik bis hin zur bildenden Kunst und Literatur schweifen lässt.
Heide Seele