Ottner, Carmen (Hg.)
Das Ende der Symphonie in Österreich und Deutschland von 1900-1945
Symposion 2012
Nach dem Ende der Sinfonie, wie es seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder verkündet wurde, arbeiteten sich Komponisten dennoch weiter an der Gattung und ihrem Anspruch ab, ob in Fortführung, Umformung oder Negation der Vorbilder. Mit diesem Paradoxon setzen sich die Beiträge des vorliegenden Bandes auseinander, die aus Vorträgen beim 9. Internationalen Franz Schmidt-Symposion 2012 entstanden, das sich inhaltlich auf die Entwicklung in Österreich und Deutschland von 1900-1945 konzentrierte.
Den in Zielrichtung und Schwerpunktsetzung sehr heterogenen Beiträgen steht das Eröffnungsreferat Wolfram Steinbecks voran, der im historischen Abriss zeigt, wie die allein im Bereich des Sinfonischen geführte Ende-Debatte die Kehrseite der Wertschätzung der Sinfonie als Gattung höchsten Rangs bildet. Einzelnen Komponisten wenden sich die folgenden Artikel zu. Hans-Joachim Hinrichsen wirft den Blick auf Gustav Mahlers sinfonisches uvre, das je nach Lesart Ende oder Anfang bedeutet. Walter Werbecks Betrachtung der Musik von Richard Strauss führt zum Resümee, dieser habe nur zwei eigentliche Sinfonien hinterlassen, doch unentwegt symphonisch komponiert. Als Weltanschaungs-, doch vor allem Weltabwendungsmusik interpretiert im Anschluss daran Wolfgang Fuhrmann Hans Pfitzners Gattungsbeiträge.
Franz Schmidts vier Symphonien werden doppelt beleuchtet: Während sich Gerhard J. Winkler ihren Formproblemen zuwendet, liefert Thomas Leibnitz die Außensicht auf Entstehungsumstände und Wirkung. Ebenfalls mehrfach im Fokus stehen die Neue Wiener Schule und ihr Umfeld. Eike Fess widmet den Kammersymphonien Schönbergs und Schrekers eine vergleichende Betrachtung, Nikolaus Urbanek interpretiert Anton Weberns op. 21 als eine Aufhebung der Sinfonie im dialektischen Sinn Hegels, Manfred Permoser sieht Ernst Kreneks Symphonien im Spannungsfeld von Tradition und Innovation und Reinhard Kapp formuliert mit seiner Auflistung von Symphonien und Verwandtem von Angehörigen der Wiener Schule ein noch anzugehendes Forschungsprojekt. Dazwischen steht der Beitrag von Joachim Diederichs, der der Bedeutung des Begriffs Symphonie für den Schönberg-Antipoden Josef Matthias Hauer nachspürt.
Über das Wiener Umfeld hinaus reichen die Beiträge von Wilhelm Sinkovicz, der eine Ehrenrettung der gering geschätzten Sinfonik Hindemiths versucht, sowie von Nils Grosch, der Kurt Weills isoliert stehende Symphonie von 1933/34 in den Kontext der Theatermusik stellt. Der Seite der musikalischen Aufführungspraxis und Rezeption wenden sich die letzten drei Beiträge des Bandes zu. Carmen Ottner dokumentiert Uraufführungen von Symphonien und Verwandtem im Wiener Musikverein, Philipp Stein untersucht mit statistischen Methoden das Repertoire des Orchesterkonzerts im Wiener Konzerthaus und Ksenija Zadravec beleuchtet am Beispiel der Wiener Presse von 1900 bis 1938 die Sinfonik im Spiegel der Kritik.
Gerhard Dietel