Laura Breuter-Widera

Das Coaching für Ihr Orchester

Fachlich – mental – individuell

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Fidelio, Trier 2020
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 72

„Dirigieren lernen kann man in ein paar Wochen, ein Dirigent werden nie.“ Dies ist eines der milderen Bonmots aus der Sammlung des legendär bissigen Otto Klemperer, und Herbert von Karajan soll gesagt haben: „Dirigieren ist die Kunst zu wissen, wann man das Orchester nicht stören soll.“ Das ist natürlich selbstironisch und gilt schon gar nicht für Musik, bei der ein Dirigat wegen des Anspruchs der Werke bitter nötig wäre.
In der Broschüre von Laura Breuter-Widera geht es nicht um Profi-Orchester, wie es die abgedruckten und von ihr selbst komponierten und arrangierten Werke für mittelgroße Blasorchester zeigen. Denn da ist von der einen wöchentlichen Probe die Rede, und davon, dass man zum Warmspielen auch mal Tonleitern (oder Ausschnitte davon) mit verschiedenen Tempi und Dynamiken ausprobieren soll, um zu testen, wie sich Klang, Zusammenspiel und Tempo je nach Dirigat ändern könnten.
Die Autorin berichtet von ihren eigenen Erfahrungen, illustriert mit vielen Beispielen. Sie gliedert das in die Kapitel: Ihr Körper und die Musik, Ein harmonisches und zielführendes Schlagbild, Kommunikation, Visionen, Motivation, Aktiv durch Kommunikation motivieren, Die innere Ruhe, Faustregeln und Respekt. Am Ende jedes Kapitels findet sich jeweils eine Zusammenfassung, die wie das von einer Flipchart abfotografierte Ergebnis eines Workshops aussieht, handschriftlich und auf liniertem Papier.
In einzelnen Kapiteln leiht sich die Autorin Erkenntnisse aus anderen Sparten. Im ersten Kapitel geht es um Körperbewusstsein. Vielleicht wäre es gut, wenn Breuter-Widera hier weitergehende Tipps geben würde (z. B. „buchen Sie einen Feldenkrais-Kurs oder ein Tai-Chi-Training“). Denn in dieser Form wirkt das doch recht oberflächlich. Das gilt nicht minder für den doch zu knappen Hinweis auf die Spiegelneuronen oder auf die kommunikativen Techniken. Dabei sind einige Tipps aus der Erfahrung sogar nützlich. Zusammengefasst lauten sie: Korrigieren Sie positiv, sprechen Sie genau und klar.
Wenn die Autorin gegen Ende davon spricht, wie man dem Orchester „Visionen“ vermittelt (hier meint sie ein tolles Konzertprojekt oder einen Ausflug zur Musikmesse), nutzt sie andere kommunikative Techniken (Ball werfen in der Feedback-Runde). Sprachlich ist das Buch klar, aber nicht überall konsequent gegendert. Innerhalb eines Absatzes ist von Musiker*innen, aber dem Chef und dem Leiter die Rede.
Laura Breuter-Widera stellt ihr Wissen als Coach auch online zur Verfügung. Ihr Ziel laut Buchklappentext: „Stärken Sie Ihr Selbstbewusstsein, schaffen Sie Visionen, gewinnen Sie neue Ausdrucksmöglichkeiten und motivieren Sie Ihr Orchester, indem Sie genau die Klänge formen, die Ihrer Vorstellung entsprechen. Inspirieren Sie sich selbst und Ihr Orchester.“ Das sind hohe Ansprüche. Vielleicht richtet sich das Buch an eine jüngere Dirigenten-Generation, die sich von der Maxime, dass man ein Orchester „drillen“ muss, entfernt hat. Dazu nochmals Karajan: „Ein Dirigent ist ein Facharbeiter, der zwanzig Jahre Berufsausbildung benötigt.“
Gernot Wojnarowicz